Ein Alstadener Jung und ein bayrisches Maderl feiern nach einem turbulenten Leben zwischen Gastronomie, Sport und Karneval heute ihren 65. Hochzeitstag.

Eiserne Hochzeit: Anni und Hermann Kuß
Foto: Gerd Wallhorn
Eiserne Hochzeit: Anni und Hermann Kuß Foto: Gerd Wallhorn © WAZ

„65 Jahre verheiratet ist schlimmer als lebenslänglich, da kommst du ja nach 10 oder 15 Jahren wieder frei.” Hermann Kuß grinst dabei über sein ganzes Gesicht, dem man die 87 Jahre nicht ansehen mag. Heute feiert der Alstadener Multifunktionär mit seiner Anna Viktora, genannt „Anni”, das seltene Fest der Eisernen Hochzeit. Und Hermann fügt hinzu: „Wir haben uns immer respektiert, viel gearbeitet, wir hatten keine Zeit uns zu zanken. Und wir haben aus Liebe geheiratet.” Aus der Küche, in der die Pellkartoffeln um Haaresbreite anbrennen, kommt ein deutlich vernehmbares Hüsteln. Diplomatisch, wie man Hermann Kuß nun wirklich nicht kennt, rudert er ein paar Schläge zurück: „Ich habe sie auch geheiratet, weil sie so gut kochen konnte.” Der gebürtige Alstadener und das Maderl aus Mindelheim im Allgäu lernen sich 1941 im Café „Stadt Wien” in München kennen. Den Soldaten hat man gerade mit seiner Einheit aus Russland abgezogen, die 20-Jährige Bayrin sitzt mit Freundinnen im Café. „Ich hab gedacht, ,ein nettes Mädchen'.” Der Konter kommt sofort: „Ich bin heute noch nett.” Man beobachtet sich, schaut sich an. Und dann muss Anna Viktoria mal aufs stille Örtchen. Als sie zurückkommt, legt sie dem jungen Uniformierten einen Zettel auf den Tisch. Darauf steht mit einem Augenbrauenstift geschrieben: „Morgen um 18 Uhr wieder hier.” Dieses Stückchen Papier hat Eisernes geschmiedet. „Wir hatten auch Höhen und Tiefen”, sagt Anni Kuß, „aber an Scheidung haben wir nie gedacht. So wie heute, wo sie sich schon nach drei Jahren scheiden lassen. Am 3. April 1943 wird geheiratet, natürlich in Oberhausen, auf dem Standesamt lösen Anni und Hermann Kuß Hans Jansen ab, den späteren SPD-Kommunalpolitiker. „Hermann, überleg dir das”, warnt Jansen noch, ab heute ist die Mark nur noch 50 Pfennige wert.” Nach dem Krieg und 14-tägiger Gefangenschaft übernimmt der gelernte Bäcker als Meister eine Bäckerei in der Gemeinde Lauchdorf. Hier begegnet er dem gleichen Argwohn wie schon vor seiner Eheschließung: Ein Preuße in Bayern. 1949 ziehen die Küßchen nach Oberhausen, Hermann Kuß übernimmt die Bäckerei seines einstigen Lehrherren an der Bogenstraße, die Ehefrau arbeitet bei Café Pape. Nach einem Gastspiel als Bäcker in Duisburg geht Hermann Kuss 1956 in den Bunker am Südmarkt, die spätere Kneipenlegende Bambach. Dann Platte an der Ecke Frieden-/Grenzstraße, 1961 Ruhrpark, Anni Kuß, die in jungen Jahren Kindermädchen war und zu Kriegsende in eine Munitionsfabrik abkommandiert wurde, macht die Küche. 1973 Auszug, für ein knappes Jahr Bürgerhof, dann Theke der Stadthalle, bis 1986 als städtische Angestellte. Rente, Anni Kuss bleibt noch ein paar Jahre als Serviererin auf der Kegelbahn. Gutes Geld habe sie da verdient, sagt sie, auch die Rente würde reichen, sagt er, wenn der Euro nicht gekommen wäre. Ein Sohn, ein Enkel, gern stellen sie heute noch die Füße unter den Tisch von Anni und Hermann Kuß. Zwei Lebensweisheiten hat Hermann Kuß an die Wände unterhalb der Küche zwischen Historie genagelt. „Die Welt lebt von Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht.” – „Ich lebe täglich über meine Verhältnisse, aber lange noch nicht standesgemäß.” Die 86-jährige Anni Kuß lacht von der Küche herab. Wohl auch, weil sie die Pellkartoffeln gerettet hat.