Oberhausen. . 2002 ging die Geschichte das Babcock-Konzerns nach 104 Jahren zu Ende. Jetzt arbeiten ehemalige Mitarbeiter die Geschichte des Unternehmens auf.

  • Ehemalige Mitarbeiter sollen beim Erzählcafé Durchblick durch den Firmendschungel verschaffen
  • Denn zu dem weltweit tätigen Konzern gehörten am Ende mehrere hundert Unternehmen
  • Den Anfang machte 1898 die Fertigung von Dampfkesseln im boomenden Ruhrgebiet

Babcock, der (amerikanische) Name stand knapp 100 Jahre für deutsche Ingenieurskunst, für hochwertigen Maschinen- und Anlagenbau, der seine Keimzelle in Oberhausen hatte. 2002 ging der Konzern mit damals noch 20 000 Beschäftigten in die Insolvenz. Ein klei­ner Kreis von Interessierten hat jetzt damit begonnen, seine Geschichte aufzuarbeiten. Er lud am Sonntag zum ersten Erzählcafé ins Zentrum Altenberg ein. Zeitzeugen sollen dabei helfen, sich einen Überblick zu verschaffen.

Denn der Kon­zern wuchs vor allem in der Nachkriegszeit derart schnell und war zuletzt so breitgefächert, dass Geschichtsschreiber es schwer mit ihm haben. Trotzdem will der Kreis um den Heimatforscher Hermann-Josef Schepers aus Osterfeld und um Rudolf Meier, einst Chef der Gießerei, die Firmengeschichte seit 1898 aufarbeiten. Schepers war Maschinenbauingenieur bei Babcock. Nach der Insolvenz gelang es, große Mengen an Firmenunterlagen aus allen möglichen Sparten des weltweit tätigen Konzerns sicherzustellen und zu lagern. Seit zwei Jahren werden sie gesichtet und geordnet.

Einen wichtigen Beitrag dabei, sich überhaupt einen Überblick zu verschaffen, soll jetzt das Erzählcafé leisten. Dazu kamen am Sonntag mehr als 30 Ehemalige im Café des Zentrums Altenberg zusammen.

„Wir müssen ja erst einmal wissen, welche Produktlinien es überhaupt gab“, berichtete Schepers. Die Gießerei, soviel ist klar, war das Herzstück des Unternehmens. Kessel, auch für Kohle- und Kernkraftwerke sowie für Müllverbrennungsanlagen, die zugehörigen Öl- und Gasfeuerungsanlagen einschließlich von Bauteilen wie Wanderroste und Armaturen wurden hier gefertigt, ferner Getriebe, zum Beispiel für Mühlen, und Gebläse.

Bis 1975 waren die Aktivitäten der Oberhausener auf Europa beschränkt. Das Tor zum weltweiten Engagement wurde erst aufgestoßen, als das britische Mutterunternehmen einen großen Unternehmensanteil an den Iran verkaufte. Am Ende bestand der Konzern aus mehreren hundert Firmen mit je eigenen Aktivitäten.

Anekdoten aus dem Arbeitsleben

All das wurde bei den ersten Erzählungen am Sonntag sichtbar. So wurde deutlich, wie kompliziert eine Umstellung der Produktion war, als zum Beispiel Wanderroste für Dampfkessel nicht mehr abzusetzen waren. Und wie wichtig die Qualitätskontrolle bei der Montage war. Denn aus Deutschland konnten die besten Anlagen angeliefert werden, sie mussten vor Ort auch entsprechend aufgebaut und betrieben werden, um dem Ruf des Herstellers nicht zu schaden. Folglich nahmen Montage, Baustellenüberwachung und Wartung einen großen Raum ein.

Gleichwohl kamen am Sonntag auch Anekdoten aus dem Firmenleben nicht zu kurz. So berichtete Rudolf Meier davon, dass 1975 der Schrottwert einer Ur-Maschine aus den Anfangsjahren noch heimlich niedrig gerechnet wurde, um sie zu erhalten. Sie wurde am Hans-Sachs-Berufskolleg aufgestellt.

Ein ehemaliger Former, der 1949 in der Gießerei seine Lehre begonnen hatte, berichtete, dass zeitweise nur Katholiken aus Alstaden und Lirich eine Lehrstelle bei Babcock bekommen hätten. Die britischen und amerikanischen Bomber, so war zu hören, nahmen das Werk im Krieg gezielt von ihren Bombardements aus und verschonten es von Demontagen.

Weitere Anekdoten handelten vom Empfang der ersten italienischen Gastarbeiter, für die die Babcock-Leute Italienischkurse belegen sollten, und vom Gießen einer Bronzeglocke vor dem Halberstädter Dom in Sachsen-Anhalt. Im Februar ist das nächste Erzählcafé geplant.