Oberhausen. . Kaum eine Stadt hat Kohle und Stahl so schnell hinter sich gelassen wie Oberhausen. Und doch wird man im Stadtgebiet ständig an die Vergangenheit erinnert.

  • Über 70 Straßennamen erinnern noch an die Zeit des Bergbaus und der Hüttenindustrie
  • In der Glückaufstraße in Vondern leben noch viele aktive und ehemalige Bergleute
  • Die meisten sind längst von Mietern zu Hausbesitzern geworden

Im Licht der Abendsonne werfen die jungen Bäume an der Glückaufstraße ihre Schatten auf die angestrahlten Hausfassaden. Ihre blatt­reichen Äste bewegen sich im Wind. Trotz Lärmschutzwand dringt der Autobahnlärm von der A 42 herüber. Wo heute die Autobahn verläuft, da hat sie gestanden, die Zeche Vondern. Von 1902 bis 1932 war sie in Betrieb. Ihretwegen entstand 1907 die benachbarte Zechensiedlung. Und obwohl der Berg­bau in Vondern längst Geschichte ist, ist die Glückaufstraße bis heute davon geprägt.

Das liegt nicht nur an den Zechenhäusern mit ihren versetzten Satteldächern und dem Rauputz. Viele von ihnen tragen ihn noch im tristen Grauton. Andere Häuser sind längst renoviert und haben eine helle, freundliche Fassade erhalten. Dafür sind überall die Grundstück sauber eingefriedet, entweder durch Jägerzäune oder niedrige Hecken. An den Seiten der Häuser vorbei blickt man in intensiv genutzte Gärten. Gartenhäuser sind hier aufgestellt, ebenso Schwimm-Bassins. Und jede freie Fläche vor und neben den Häusern wird als Parkplatz genutzt. Wenn die Autos nicht auf den breiten Gehwegen stehen würden, gäbe es kaum ein Durchkommen.

Vor allem die Menschen in der Straße aber sind es, die an den Bergbau erinnern. Ein jüngerer Mann sitzt auf der Ladefläche seines Kombis und blättert in einem Heft. Bereitwillig erzählt er von sich. „Ich bin in der Siedlung aufgewachsen, an der Schlossstraße“, sagt er. Das ist die Parallelstraße. Bis heute verdient er mit der Kohle seinen Lebensunterhalt. „Ich war von 1992 bis 2005 in Lohberg-Osterfeld auf der Zeche“, erzählt er. Die sei damals geschlossen worden. Seitdem habe er seinen Arbeitsplatz auf der Kokerei Prosper in Bottrop. 2002 erwarb er ein Zechenhäuschen an der Glückaufstraße. Das ganze Haus hat 70 Quadratmeter Wohnfläche. Darin lebt er mit Frau und drei Kindern. Mit einer Kernsanierung des Hauses fing es an, berichtet er. Zuletzt, vor zwei Jahren, wurden Fassade und Dach erneuert.

Beim Wohnraum bevorzugt

Ein älterer Nachbar tritt hinzu. Um so eine Wohnung mit seiner jungen Frau zu ergattern, habe er 1960 auf der Zeche Osterfeld angefangen, erzählt der alte Herr. 20 Jahre lang habe er unter Tage gearbeitet, im Stollen-Vortrieb, also beim Sprengen. Wegen der großen Hitze von bis zu 35 Grad war die Schicht von acht auf sieben Stunden verkürzt. Damals hätten viele Kumpels sich noch Schweine und Hühner gehalten. „Und fast jeder hatte einen Taubenschlag.“ Vom regen geselligen Leben ist immerhin der Karnevalsverein geblieben. Der ältere Herr muss sich verabschieden, er wird von seiner Tochter abgeholt.

Ein paar Häuser weiter hat ein Nachbar gleich zwei Porsche in der Garage stehen. Auch er ist gesprächig. Bergleute sind unkomplizierte Menschen. „Ich habe auf der Zeche Sterkrade gearbeitet und mich bis zum Steiger hochgearbeitet“, berichtet er. Vor 20 Jahren aber habe er sich als Veranstaltungskaufmann selbstständig gemacht. Ein offenbar einträgliches Geschäft. Denn das frühere Vier-Familien-Haus hat er mit Dach­geschoss und Keller auf 160 Qua­dratmeter Wohnfläche ausgebaut. „Ich will es aber verkaufen, weil die Kinder aus dem Haus sind“, sagt er.

Rainer Simke (56), der ein paar Meter weiter mit einem Nachbarn auf der Straße steht, will hier dagegen seinen Lebensabend verbringen. Auch er stammt aus dem Viertel. „Ich fand die Siedlung immer schön“, sagt er. Vor 30 Jahren zog er jedenfalls her und kaufte 1997 sein Haus. Fast alle Häuser sind mittlerweile an Privatbesitzer verkauft. Bei ihm wohnt eine libanesische Flüchtlingsfamilie zur Miete. „Wer bis jetzt nicht gekauft hat, kriegt als Mieter ziemlichen Druck“, sagt er. Simke war auf der Zeche im Betriebsrat und rät den Betroffenen, standhaft zu bleiben. „Bergleute haben doch lebenslanges Wohnrecht.“ Und die Mieten seien sehr niedrig.

Neue junge Straßenbäume

Nach dem letzten Sturm hat die Stadt aus Sicherheitsgründen die großen Platanen in der Straße beseitigt. „Sie haben unglaublich viel Dreck gemacht“, sagt er. Mit seinem Nachbarn erinnert er sich an die großen Zeiten, als es noch den stattlichen Konsum an der Arminstraße gab und einen Polizeiposten. Aber auch ohne das damit verbundene Leben ist die Glückaufstraße bis heute eine Siedlung der Bergleute geblieben.