Oberhausen. . Zu viel Stress kann zu Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck führen. Viele Anrufer bei Telefonaktion von Redaktion und Katholischem Klinikum.

  • Kündigungswelle bei XXXL Rück hinterließ kranke Menschen auf den Herzstationen
  • Mehr als 60 Prozent der Deutschen geben an, dass sie gestresst sind
  • Frauen sind durch Doppelbelastung durch Beruf und Familie besonders gefährdet

Die Menschen in Deutschland stehen unter Druck: Mehr als 60 Prozent geben an, dass sie häufig oder manchmal gestresst sind. Das geht aus einer im Auftrag der Techniker Krankenkasse erhobenen aktuellen Stressstudie hervor. Doch was macht das mit unserer Gesundheit? Darüber klärten die Kardiologen Dr. Ulrich Kröll und Dr. Thomas Butz jetzt bei einer Telefonaktion im Rahmen der Herzwochen in unserer Redaktion auf.

„Die Auswirkungen sind gravierend“, darin sind sich die beiden Experten einig. Aus eigener Praxis wissen sie: „Ein Großteil unserer Patienten, die mit Herzrhythmusstörungen oder Bluthochdruck zu uns kommen, leiden zeitgleich unter Stress.“ Die Kündigungswellen beim Möbelhaus XXXL Rück Oberhausen, bei Karstadt in Essen – auch sie hinterließen Spuren und kranke Menschen auf den Herzstationen. Vor allem aber die Veränderten beruflichen Belastungen machten viele Menschen krank, wissen die Mediziner. Besonders betroffen: „Frauen, durch ihre Doppelbelastung durch Beruf und Familie“, sagt Butz. Und: „Chefs, die zeitgleich Druck von Vorgesetzten und Mitarbeitern bekommen“, ergänzt Kröll.

Besonders hoch sei die Todesrate durch Herzinfarkt oder -versagen übrigens in Japan: „Weil dort generell zu viele Überstunden gemacht werden“, sagt Butz. „Einhundert Überstunden vor dem Tod waren es bei den meisten Betroffenen in nur einem Monat – viele verstarben an purer Erschöpfung.“

Als wohl wichtigsten Tipp gaben Butz und Kröll auch den zahlreichen Anrufern mit auf den Weg: „Machen Sie Sport.“ Dreimal in der Woche eine halbe Stunde – das sei schon genug. „Wir sind Jäger und Sammler und keine Computerhocker“, führt Kröll aus. Rad fahren, Walken, Spazieren gehen, Schwimmen, Joggen gehöre auf jeden privaten „Dienstplan“. Für bedenklich hält Butz insbesondere die Bewegungsarmut vieler Kinder. „Die meisten laufen nicht mehr zur Schule, sondern werden von ihren Eltern am besten gleich bis ins Klassenzimmer gefahren.“

Ebenso wichtig: „Entspannung und Gelassenheit bei der Arbeit trotz allen Leistungsdrucks: Machen Sie eines nach dem anderen. Multitasking gibt es nicht, das ist längst erwiesen“, sagt Kröll.

Hochgradig gefährdet seien Patienten, bei denen der Blutdruck auch nachts nicht mehr absinke. „Dann sind Langzeit-Blutdruck-Messungen unbedingt erforderlich“, betont Kröll. Hohe Cholesterin-Werte dagegen müssten zwar oft, aber nicht in jedem Fall mit Tabletten behandelt werden.

Nicht nur Laborwerte behandeln

„Eine Anruferin erzählte etwa, sie habe zeitlebens einen zu hohen Wert, den habe aber auch ihre Mutter gehabt und die sei damit putzmunter 94 Jahre alte geworden“, so Kröll. Wichtig sei: „Es geht nicht darum, Laborwerte zu behandeln, sondern Menschen.“ Dafür müsse man zuhören.

Und so wurde Butz hellhörig, als ihm ein Anrufer berichtete, er nehme Blutdruckmedikamente, tagsüber sei der Blutdruck auch in Ordnung, aber nachts steige er immer noch an. „Dann müssen Sie die Medikamente anpassen, lassen Sie sich von Ihrem Arzt beraten“, riet der Chefarzt.

Die Einstellung auf die richtigen Medikamente benötige Zeit und Geduld. „Viele Patienten haben sich an ihren Bluthochdruck gewöhnt, fühlen sich dann mit dem normalen Blutdruck nicht gleich wohl – und setzen ihre Tabletten einfach wieder ab“, weiß Butz. Ein fataler Fehler. „Eine Anpassung dauert Wochen, durch dieses Tal der Tränen muss man durch.“