Oberhausen. Seit einem Jahr steht ein CDU-Politiker an der Spitze Oberhausens: Daniel Schranz. Im Interview zieht der Oberbürgermeister eine erste Bilanz.
- Für den OB Schranz ist es nicht einfach, seine Wahlversprechen zu erfüllen
- Das Stadtoberhaupt sieht erste Erfolge in seinem ersten Jahr Amtszeit
- Rückerstattung der Müllgebühren zieht sich länger hin als erst erwartet
Oberhausen. Herr Oberbürgermeister, mit Ihnen ist erstmals nach 60 Jahren ein CDU-Politiker Chef im Oberhausener Rathaus. Sie sind jetzt ein Jahr im Amt. Woran sieht der Bürger den Unterschied zu Ihren Vorgängern?
Daniel Schranz: Nach Umfragen und unseren Erfahrungen haben die Menschen schon gemerkt, dass wir uns erheblich anstrengen, in diese Stadt Bewegung zu bringen: Entwicklung des Standorts, mehr Transparenz bei allen städtischen Gesellschaften und mehr Bürgerbeteiligung. Das wird positiv gesehen.
Viele Bürger scheinen aber ungeduldig zu sein: Sie sehen zu wenig Veränderungen. Die Stadt macht weiterhin einen dreckigen Eindruck, mehr Firmen haben sich auch nicht angesiedelt. Arbeiten Sie zu wenig?
Schranz: Wenn 80 Stunden pro Woche zu wenig sind, dann ja… Aber im Ernst: Ich bin nicht der einzige, der hier bis an die Grenze der Belastung geht, um die Stadt voranzubringen. Trotzdem kann ich die Ungeduld der Bürger gut nachvollziehen, ich bin selbst recht ungeduldig und wäre bei der Ansiedlung neuer Unternehmen schon gerne am Ziel. Doch solche Themen benötigen einen Vorlauf, man kann nicht nach drei Monaten einen neuen Investor aus dem Hut zaubern. Aber wir haben ja schon Erfolge erzielt: Bis Ende des Jahres ist der Breitbandausbau mit schnellen Internetleitungen erfolgt, wir beteiligen Bürger mehr, wir zeigen mehr Transparenz bei der Müllgebühren-Berechnung der GMVA und bei der Arbeit der OGM, etwa durch das neue Gutachten.
Aber gerade die versprochene Rückzahlung zu hoher Müllgebühren an die Bürger zieht sich hin.
Schranz: Der Zeitpunkt ist leider nicht allein von unserem Handeln abhängig. Fest steht aber: das Geld kommt. Ähnlich sieht es bei der OGM aus, wo es am Ende Veränderungen geben wird. Nehmen wir noch das schnelle Internet und die Bürgerbeteiligung hinzu, dann haben wir vier wichtige Wahlversprechen im ersten Amtsjahr eingelöst. Auf die Amtszeit von fünf Jahren hochgerechnet, wären das 20. Ich denke, das kann sich sehen lassen.
Schön und gut, aber wann bekommen die Bürger ihr Geld zurück?
Schranz: Das ist ein schwieriger Prozess, den wir korrekt machen wollen, deshalb dauert das. Nach der Grundsatzeinigung mit den GMVA-Miteigentümern Duisburg und Remondis geht es um Details des Vertrages und die Preisprüfung muss die dort vereinbarten Preise gegenchecken. Ich will, dass die Bürger das Geld baldmöglichst erhalten, aber wir wollen es auch bestmöglich machen.
Bestmögliches Ergebnis für die Bürger oder für die Stadt?
Schranz: Bestmöglich für beide. Wir werden allen Bürgern die von 2012 bis 2016 zu viel bezahlten Gebühren zurückerstatten. Das macht für eine Musterfamilie ca. 200 Euro aus. Und ab 2017 sinken die Gebühren deutlich. Zudem kann die GMVA wirtschaftlich weiterexistieren, die Arbeitsplätze bleiben erhalten. Einen Termin der Rückzahlung haben wir noch nicht, da dies davon abhängt, wann wir die Ergebnisse der Preisprüfung haben. In diesem Jahr werden wir aber noch die Gebühren für 2012 überweisen. Am liebsten würde ich das Geld nicht kleckerweise erstatten, sondern auf einen Schlag.
Was hat Sie im Amt überrascht?
Schranz: Positiv überrascht war ich von der Vielzahl von Bürgern und Stadtbediensteten, die nicht nur einen Veränderungsbedarf in Oberhausen sehen, sondern sich auch einbringen möchten. Die Aufgabe, eine so hohe Zahl an Flüchtlingen unterzubringen, war nur mit den freiwilligen Helfern zu schaffen – und beim Bürgerrat wollten 650 Oberhausener mitmachen, um mit mir über die Zukunft der Stadt zu diskutieren. Negativ war die Entscheidung von Oxea, ihre Zentrale nach Monheim zu verlagern – vor allem wegen der zu hohen Gewerbesteuer bei uns.
Da sind wir wieder beim zentralen Thema: Sie haben im Wahlkampf weitere klare Versprechen gemacht, auf deren Erfüllung die Bürger warten. Der Reihe nach: Wann wird das Bordell aus der City verlagert?
Schranz: Wir haben immer klar gesagt, dass dies ein mittelfristiges Vorhaben ist. Wir wollen das Ziel aus städteplanerischen Gründen erreichen – und zudem macht nun der Bund mit seinem neuen Prostituiertenschutzgesetz den Bordellbetreibern neue Auflagen. Wir prüfen, ob man diese Auflagen an einem anderen Standort als in der Oberhausener Innenstadt besser verwirklichen kann. Anfang 2017 suchen wir das Gespräch mit den Bordellbetreibern.
Mittelfristig heißt also, das wird alles erst in zehn oder zwanzig Jahren verwirklicht?
Schranz: Nein, nein, es ist zwar kein Projekt von Monaten, aber das soll eher realisiert werden als in zehn Jahren.
Sie wollten im Rathaus nicht nur 200 Stellen reduzieren wie SPD und Grüne, sondern sogar 300. Jetzt sieht es so aus, also ob noch nicht einmal das rot-grüne Ziel erreicht wird. Ihr Ziel ist doch utopisch, oder?
Schranz: Wir haben zwei gegenläufige Entwicklungen: Die Stadt musste mehr Personal einstellen, weil immer mehr Familien unsere Unterstützung brauchen und wir mehr Flüchtlinge aufnehmen mussten. Aber zugleich können wir nicht darauf verzichten, Personal im Rahmen des Konsolidierungsplans abzubauen. Dazu durchforsten eine Projektgruppe und Gutachter wichtige Felder im Rathaus, die bisher noch nicht untersucht worden sind.
Ist die Zahl 300 noch erreichbar?
Schranz: Wir haben Schwierigkeiten, netto Personal abzubauen, wir geben aber das Sparziel nicht auf. Konkrete Zahlen kann ich heute noch nicht nennen. Mit dem Rasenmäher gehen wir jedenfalls nicht vor, das macht keinen Sinn.
Von einer Steuerhochburg Oberhausen kann nicht die Rede sein
Die Grundsteuer steigt für alle Bürger 2017 an, die Gewerbesteuer für Firmen 2018 – Sie wollten beide Steuern einfrieren, besser noch absenken. Ist das zu erreichen?
Schranz: Die Steuersätze dürfen nicht so hoch sein, dass sie Unternehmen und Bürger aus Oberhausen drängen. Nicht nur Oxea zeigt: Wenn wir weiter an der Steuerschraube drehen, wird der Standort diesen Nachteil nicht kompensieren können. 2017 muss der Rat entscheiden, ob man auf den nächsten Erhöhungsschritt nicht verzichten kann. Ich glaube, dass wir das realisieren können, denn der Bund unterstützt ja jetzt stärker die Kommunen.
Und die Grundsteuer bleibt so hoch wie sie 2017 sein wird?
Schranz: Ich würde gerne auf den Erhöhungsschritt ab Januar verzichten, die Realität ist aber, dass wir Lücken im Haushalt haben – durch eigene Entscheidungen, aber auch durch Entwicklungen von außen. So haben alle politischen Parteien, Schüler und Eltern gesagt, wir wollen keine weiteren Schulen schließen. Nun erzielen wir dort keine Spareffekte. Zudem steigen die Kosten für die Betreuung von Familien – und die Gewerbesteuereinnahmen fallen schlechter aus. Wenn wir auf die Grundsteuererhöhung verzichten würden, wäre das mit zehn Millionen Euro bis 2021 ein so großes Loch, dass wir den Etat nicht mehr stemmen könnten. Dann hätten wir keinen genehmigten Etat mehr und würden Fördergelder in zweistelliger Millionenhöhe einbüßen.
Also keine Chance auf eine Steuerentlastung der Bürger?
Schranz: Wir müssten massiv an anderen Schrauben drehen, wie eine deutliche Erhöhung der Kita-Beiträge. Das will niemand. Zudem muss man die Entwicklung um uns herum betrachten: Bei der Gewerbesteuer sind wir absoluter Spitzenreiter, aber bei der Grundsteuer haben uns fast alle anderen vergleichbaren Städte schon überholt. Da kann von einer Steuerhochburg Oberhausen nicht die Rede sein. Wir laufen hier nicht Gefahr, dass die Bürger wegen andernorts niedrigerer Grundsteuersätze wegziehen.
Auch Autofahrer ärgern sich: Kommt die grüne Welle auf der Mülheimer?
Schranz: Wir bearbeiten dieses Thema intensiv. Das ist eine große Investition. Wir benötigen einen neuen Verkehrsrechner, Kabel dafür sind am Rathaus schon gelegt. Dabei schauen wir auch, wo wir grüne Wellen optimieren oder schaffen können.
Wann werden die Schulen sauberer?
Schranz: Grundsätzlich haben sich viele Bürger zurecht über dreckige Ecken aufgeregt: Das Thema Sauberkeit hat im politischen Raum nun einen viel höheren Stellenwert als früher. So hat der Rat einstimmig Maßnahmen für mehr Sauberkeit in der City verabschiedet. Im November lade ich zu einer großen Sauberkeitskonferenz ein, um über Reinigungszyklen und über konsequente Strafen gegen Umweltsünder zu sprechen. Bei den Grundschulen bleiben wir wegen guter Erfahrungen beim zweiten Reinigungszyklus der Toiletten. Das soll auf die weiterführenden Schulen ausgerollt werden – am besten 2017, spätestens 2018.
Zum Glück gibt es keine Selbstblockade
Im Rat ist die politische Situation für Sie durch die Pattsituation zwischen Ampelkoalition und der sehr bunten Opposition schwierig. Können Sie Ihre Ideen überhaupt durchsetzen?
Schranz: Die im Wahlkampf von einigen befürchtete Selbstblockade des Rates ist zum Glück nicht eingetreten. Es ist keine wesentliche Entscheidung bisher am Rat gescheitert. Im Rat geht es sachlicher als früher zu, Parteipolitik ist in den Hintergrund getreten. Mein Interesse ist es nicht, sich irgendwie auf einen möglichst kleinen Nenner zu einigen und das Sachthema aus den Augen zu verlieren. Die Frage ist: Wie schaffen wir es, positive Mehrheiten im Rat für die Gestaltung und Entwicklung der Stadt zu bekommen? Ich denke, gemeinsam sind wir stärker.
Sind Sie froh darüber, dass die CDU-Ratsfraktion seit einem Jahr recht milde mit der Stadtspitze umgeht?
Schranz: Ich glaube nicht, dass sich ihr Verhalten stark verändert hat. Sie weist weiterhin auf negative Entwicklungen in der Stadt hin und treibt die Stadtverwaltung und den Oberbürgermeister. Beispiele dafür sind die Themen Sicherheit und Sauberkeit. Wir als Stadt haben aber auch eine Menge anderer Themen angepackt, die ein steter Quell des Ärgers in den vergangenen Jahren waren – von der Reform der Vergabe von städtischen Aufträgen bis hin zur Neuordnung der Wirtschaftsförderung.
Die Erwartungen der Bürger sind riesengroß. Hat ein OB zu wenig Macht, Themen durchzusetzen?
Schranz: Der Oberbürgermeister hat eine Menge an Möglichkeiten, aber er ist darauf angewiesen, dass möglichst viele mitziehen. Würde er alleine vorangehen, wäre nichts gewonnen. Mein Versuch ist, möglichst viele Mitstreiter zu gewinnen. Allerdings gibt es durch die politische Situation im Rat keine positive Gestaltungsmehrheit. Dies ist in Oberhausen anders als in anderen Städten, in denen der Oberbürgermeister eine Mehrheit im Rat hinter sich hat.
Haben Sie eigentlich die Schwierigkeiten Ihres Amtes unterschätzt?
Schranz: Unterm Strich hatte ich schon vorher eine realistische Einschätzung. Nichtsdestotrotz ist die Vielzahl der Herausforderungen groß. In Oberhausen gibt es viele Felder, in denen wir besser werden müssen. Es ist Aufgabe des Oberbürgermeisters, diese Themen voranzubringen, die Richtung vorzugeben. Alleine geht das nicht, man muss Mitstreiter gewinnen, sonst kann das ganz Projekt nicht funktionieren.