. „In Extremo“ begeisterte 2000 Fans mit Mittelalter-Metal-Songs. In Oberhausens Turbinenhalle bot die erfolgreichste Band des Genres grelle Pyrotechnik.

  • Finster war’s im Mittelalter – aber wohl nie so laut wie mit „In Extremo“
  • Zwei Dudelsäcke, Harfe und Schalmeien mildern die Metal-Attacke
  • Mit Politik wollen die „Störtebeker“-Besinger nichts am Hut haben

Das Mittelalter mag ja finster gewesen sein, so laut wie jetzt in der Turbinenhalle war es aber ganz sicher nicht. Dort feierten die längst schon selbst mittelältlichen Rocker von „In Extremo“ vor knapp 2000 Fans mit Dudelsäcken und Metal-Gitarren ein wildes Gelage. „Quid Pro Quo“ heißt das Motto ihrer aktuellen Tour, was ungefähr so viel heißt wie „Gibb’se mich watt, krisse watt zurück“.

Nun, vor der Bühne reckten sich die teuflischen „Pommesgabeln“ in die Höhe, dafür gab’s Lagerfeuer-Atmosphäre der härteren Gangart mit eher schlichten Songs zum Mitgrölen. Natürlich auf beinharten Fundamenten, die gnadenlos den Konventionen des Genres folgten. Knackige Drums lieferten mit druckstarkem Bass und verzerrten Gitarren-Lines den tanzbaren Background für die mittelalterliche Dekoration zweier vibrierender Dudelsäcke, zu denen sich gelegentliche Schalmeien-Klänge, Hackbrett und gar eine gerockte Harfe gesellten. Frommer, aber stilprägender Zauber im unheiligen Gewese, in dem immer wieder die uralten Taschenspieler-Tricks des fahrenden Volks aufblitzten.

Was man durchaus wörtlich nehmen darf: Da setzten nervenzerfetzende Explosionen lautstarke Ausrufezeichen, loderten bei jeder Gelegenheit Feuerbälle und Flammenzungen auf der stimmungsvoll illuminierten Bühne, feierten die Pyrotechniker ihre ganz eigene Party zu alten „In Extremo“-Hits wie „Feuertaufe“ (sic!) und neuen Songs wie dem Piraten-Lobpreis „Störtebeker“.

Dass „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“, jene vielzitierte Zeile aus dem unselig nationalistischen Lied „Die Wacht am Rhein“, von Schießpulver-Dampf begleitet war, störte offenkundig niemanden. Ebenso wenig, dass Micha „Das letzte Einhorn“ Rhein, stimmgewaltiger Frontman der Mittelalter-Metal-Combo, die expansiven Russen als nette Leute pries und ihnen mit „Roter Stern“ einen slawisch-melancholischen Song widmete.

Ohnehin balanciert „In Extremo“ geschickt auf jenem schmalen Grad, der schlichte Heimatverbundenheit von tumber Deutschtümelei und Schlimmerem trennt. „Wir haben mit Politik eigentlich gar nichts am Hut“, behauptete „Das letzte Einhorn“ erst vor wenigen Tagen, „aber man kommt um so ein Thema wie ,Lieb Vaterland’ nicht herum: Wenn man in die Welt schaut, wird man nur so mit Schlechtigkeit und Dreck beschmissen.“ Mit welchem, blieb auch in Oberhausen offen. Passend dazu sang das Publikum lautstark mit Micha Rhein „Komm schließ die Augen“.

Zwischendurch metzelte der Frontman (ausgerechnet an jenem Tag, als Bob Dylan für seine subtilen Songtexte den Literatur-Nobelpreis bekam), jede Erotik aus François Villons „Erdbeermund“ und propagierte schließlich „Sternhagelvoll / Zwei Promille über Soll / Auf Schaukelschuhen durchs Leben / Auf Wolke Sieben schweben“. Minutenlang grölten die Fans den Refrain wie ein Mantra – es war ihr „Quid Pro Quo“ an einem teils fragwürdigen Abend.