Oberhausen. . Seit die Händler jeden Donnerstag ihre Stände aufbauen, kauft Anneliese Wiesian dort ein. IhreEnkelin Annika Görtz ist mit dem Markt aufgewachsen.
Die drei Stoffbeutel sind bis oben gefüllt. Gerade so kann der ältere Herr sie noch anheben, als die Ampel auf grün springt, er losgeht und seine Einkäufe an den anderen Passanten vorbeischiebt. Eine ältere Dame grüßt ihn freundlich: „Guten Morgen“, und überquert ebenfalls die Straße. Am Rande des Marktplatzes an der Schmachtendorfer Straße steht ein kleines Grüppchen älterer Herren, die sich angeregt unterhalten: „Ich hab die OP hinter mir, Kalle.“ „Das ist auch das Wichtigste“, entgegnet der andere.
„Bis nächste Woche, Herr Funke, und schöne Grüße zu Hause“, ruft eine Fleischverkäuferin dem jungen Anzugträger noch hinterher, der gerade jeweils sechs Scheiben „dünn geschnittene“ Salami und Fleischwurst erstanden hat. An einem Gemüsestand schält eine Verkäuferin eine Mandarine und reicht einer jungen Frau ein Stück. Das Kind im Buggy vor ihr streckt die Hand nach oben aus: „Ich will auch.“ Man kennt sich hier. Es ist Donnerstag. Und wie jede Woche ist Markt.
Der beste Bauernstand vom Markt
Auch Anneliese Wiesian und ihre Enkelin ziehen ihre allwöchentliche Runde vorbei an den Ständen. Ihre Einkaufsbeutel sind schon prall gefüllt, doch trotzdem fehlt noch einiges. Am „besten Bauernstand vom Markt“ müssen sie die restlichen Zutaten für das Mittagessen einkaufen: „Können Sie mir kleine Zwiebeln raussuchen?“, fragt Anneliese Wiesian die Gemüseverkäuferin. Wie selbstverständlich sucht diese die Kleinsten aus dem braun-gelben Knollenhaufen und manövriert ein Pfund davon in eine Papiertüte auf die Waage. „Darf es sonst noch etwas sein?“ „Einen kleinen Spitzkohl hätte ich noch gerne“, antwortet die Kundin. „Ich gehe immer hier hin. Ich lebe alleine. Hier bekomme ich auch alles in kleiner Größe“, beschreibt die Rentnerin ihre Vorliebe für den Einkauf auf dem Markt. Anneliese Wiesian ist 89 Jahre alt und kommt seit 20 Jahren zum Markt in Schmachtendorf.
Mit Oma über den Markt
Ihre Enkelin Annika Görtz begleitet die Rentnerin jede Woche treu aufs Neue. „Ich wohne hier direkt. Oma kommt immer mit dem Bus und dann treffen wir uns an der Haltestelle. Als erstes gehen wir meist zu dem Blumenstand“, beschreibt die 24-Jährige das wöchentliche Prozedere. Die Schnittblumen seien immer frisch, deshalb kommt jede Woche ein neuer Strauß auf den Esstisch. Heute haben die beiden noch zwei Paletten Stiefmütterchen für den Garten erstanden. „So, jetzt müssen wir noch zum Bäcker“, kündigt Annika an und hakt sich bei ihrer Großmutter ein.
Früher, als sie klein war, ist ihre Oma auch schon mit ihr an der Hand über den Markt geschlendert. „Ich habe Oma oft besucht, und ich kann mich daran erinnern, dass wir hier oft waren.“
Der Bus ist wie ein Taxi
Nussecken, Buttercroissants, frische Berns-Semmel – „10 Stück für 2,65 Euro“ – und Vollkornbrote stapeln sich hinter der Theke beim Bäcker Berns. Davon lässt sich die Rentnerin nicht beeindrucken. Sie weiß genau, was sie braucht: Ein halbes Pfund Schwarzbrot soll es sein. Geschnitten. Und schon landet der frische Laib in der bis oben gefüllten Karre. „Auf die möchte ich nicht verzichten. Zusammen mit meinem Stock gibt sie auch noch Halt.“ Und wie sonst sollte die Rentnerin ihren Wochenvorrat mit dem Bus nach Hause transportieren? „Ich fahre immer mit dem Bus, das ist das Einfachste“, sagt Wiesian selbstsicher. „Ich sag immer, ich hab mein Taxi direkt vor der Tür stehen, und es bringt mich direkt zum Markt.“ Annika nickt zustimmend. „Früher ist Oma immer mit dem Rad gefahren, zum Glück gibt es den Bus, sonst wäre es schwer für sie.“ Denn ein Rollator kommt nicht in Frage. Und da ist auch schon der Bus. Annika hebt ihrer Oma die Karre hinein. Die Tür schließt. Anneliese Wiesian winkt. Annika nimmt den Bus in die entgegengesetzte Richtung. „Ich fahre jetzt mit dem SB90 zum Holtener Bahnhof. Von da aus geht es dann zur Uni nach Dortmund.“
Wer übernimmt die Nachfolge?
Der Landwirt Thomas Klöpper hofft auf die Ambitionen seiner Söhne
„Uns gibt es hier seit den ersten Stunden des Marktes“, sagt Thomas Klöpper, der Kartoffeln, Eier und Zwiebeln an seinem Stand verkauft. 80 Prozent der Kunden kennt er. Sie sind Stammkunden. „Guten Morgen Frau Schmidt, bekommen Sie wie immer?“, fragt er eine Kundin. „Ja, 2,5 Pfund Cilena.“ Mit seinen in Gummihandschuhe eingepackten Händen hebt der Landwirt eine Ladung Kartoffeln nach der nächsten auf die gute, alte Tafelwaage. „Die ist robuster als die heutigen Digitalwagen“, erklärt er, während er die beiden Seiten der Waage mit Ein- und Zwei-Kilo-Gewichten ausbalanciert. Und zack landen die Erdäpfel in einer Plastiktüte und direkt in Frau Schmidts grünem „Schmachtendorfer Wochenmarkt“-Beutel. 300 bis 600 Kilogramm Kartoffeln verkauft Thomas Klöpper während eines gewöhnlichen Donnerstags.
Kein Acht-Stunden-Job
„Früher gab es hier drei Gemüsehändler mehr, doch die hatten keine Nachfolger“, weiß der 54-Jährige. Er hält aber stand. Bis zur Rente will er zum Markt kommen und danach übernimmt, so hofft er, einer der beiden 24- und 26-jährigen Söhne das Geschäft. „Die haben schon Ambitionen, aber man weiß ja nie.“ Der eine ist Koch, der andere Straßenwärter, aber bei Besuchen und im Urlaub packen sie immer mit an. Es sei aber ein anderer Beruf als die geregelten Acht-Stunden-Jobs. „Zwölf Stunden am Tag ist nix, wir kaufen ein, verpacken, stehen auf dem Markt“, beschreibt er seinen Tagesablauf. Abgeneigt seien die Söhne dennoch nicht.
Beim Metzger Welke hingegen ist die Nachfolgerfrage längst erfolgreich geklärt. Thorsten Welke hat den Lebensmittelhandel vor acht Jahren von seinem Vater übernommen. „Viele Kunden sagen, sie kennen mich noch von damals, als ich bei meinem Vater auf dem Arm war“, schmunzelt Thorsten Welke.