Oberhausen. . Zivile Fahnder observieren stundenlang Wohnsitze von mutmaßlichen Tätern.Im vergangenen Jahr konnten sie 14 Kriminelle beim Einbruch beobachten und verhaften.
Die zwei 16-jährigen jungen Frauen steigen in den Bus, schauen sich argwöhnisch um. Fahren bis zur Endhaltestelle, um dort die gleiche Linie in die entgegengesetzte Richtung noch einmal zu nutzen. Zwei Stationen später springen sie im letzten Moment durch die Tür und warten auf den nächsten Bus, um weiterzufahren. „Sie sind hochprofessionell ausgebildet. Sie sind unberechenbar und bewegen sich völlig ziellos durch das Stadtgebiet“, sagt Holger Rößing, der seit neun Jahren die zivilen Einsätze gegen Einbrecher leitet.
Trotzdem war die Polizei den beiden Frauen einen Schritt voraus. Die Beamten verfolgten die mutmaßlichen Täterinnen, nachdem sie ihren Wohnsitz im Bismarckviertel verlassen hatten, bis nach Essen und wieder zurück nach Oberhausen. „Wir wechseln uns im Team immer ab, tauschen Klamotten, ziehen Mützen auf, um nicht aufzufallen“, erklärt der 50-Jährige. „Als die beiden an einer Haltestelle ausgestiegen sind, an der sonst keiner den Bus verlassen hat, waren uns die Hände gebunden.“ Die jungen Frauen wechselten die Straßenseite und verschwanden in einem anderen Bus. Die Observierung wäre aufgeflogen, hätte Holger Rößing dieses Umstiegsprozedere mitgemacht. Stattdessen mussten die Kollegen übernehmen.
Schraubendreher im BH versteckt
Im Theaterviertel in Oberhausen angekommen, klingelten die jungen Frauen an verschiedenen Türen und verschwanden schließlich in einem Mehrfamilienhaus mit vier Parteien. „Wir sind nicht hinterher, weil wir nicht wussten in welcher Wohnung sie sind.“ Aber als beide mit prall gefüllten Handtaschen aus dem Haus kamen, griffen die Polizisten zu. „Die Schraubendreher hatten sie im BH versteckt.“
Bis es zu einem Zuschlag wie diesem kommt, vergehen oft Stunden, Tage oder Wochen, in denen das Team mutmaßliche Täter beobachtet und Informationen sammelt. „Wir warten und warten und warten. Es zieht sich wie Kaugummi. Man muss Ehrgeiz haben“, beschreibt Rößing die Arbeit.
Trotzdem: 14 Täter konnten die Zivilbeamten 2015 auf frischer Tat festnehmen. „Sie sind häufig weiblich und meist sehr jung, zwischen acht und 15 Jahren“, skizziert Rößing das Täterprofil. Busse und Bahnen seien die idealen Verkehrsmittel für diese jungen Menschen ohne Führerschein, um flexibel die Gegend auszuspionieren und Verfolger auszutricksen. „Als nicht strafmündige Täter sind sie bares Kapital für die Familie“, resümiert der Polizist. Einen Einbruch pro Tag mit einem Diebesgut von 500 Euro würden sie mit nach Hause bringen.
Wenn Rößings Team die Jugendlichen fasst, haben sie keine Ausweise und kein Telefon, so dass kein Rückschluss auf die Identität möglich ist. Droht eine längere Verurteilung, hauen sie ab. „Es ist konspirativ, auf diese Kriminalitätsform sind wir nicht vorbereitet.“
Adrenalin steigt bei Verfolgung
Auch heute observiert Rößing mit seiner Kollegin auf Verdacht eine Wohnsiedlung in Sterkrade. Sie parken vor einem Einfamilienhaus an einer Ecke und warten. Eckhäuser seien wegen der guten Beobachtungsmöglichkeit besonders beliebt. Jeden, der vorbeigeht oder fährt, bewerten die beiden.
Ein schwarzer VW-Polo fährt mit Tempo 30 vorbei. Die Fahrerin: eine alte Dame. Unauffällig. Ein Jugendlicher mit Cappy schlendert auf sein Handy starrend über den Gehweg. Unauffällig. Eine junge Frau steigt aus einem silbernen Mercedes und geht ins Haus. Unauffällig. „Wer sich interessiert umschaut, ziellos durch die Gegend streift und argwöhnisch im Schneckentempo an den Häusern entlang fährt, der ist auffällig“, sagt Holger Rößing. Oftmals passe auch das äußere Erscheinungsbild nicht in eine Gegend. Aber Beobachtungen wie die heutige seien unbedenklich.
Anwohner halten Polizei für potenzielle Täter
„Oft werden wir selber von Anwohnern für potenzielle Täter gehalten, weil wir so lange im Auto sitzen. Dann ruft die Leitstelle an und fragt: ‘Seid ihr das?’“. Tatsächlich ist die Sorge der Bürger nicht ganz abwegig. Denn beide könnten ebenso gut die Siedlung ausspionieren, denn Kapuzenpulli, Turnschuhe, Jeans und ihr Gefährt verraten sie schließlich nicht als Gesetzeshüter.
„Wenn wir Hinweise haben, dass potenzielle Täter sich in einem Haus aufhalten, observieren wir mit drei bis vier Fahrzeugen das Objekt.“ Und wenn tatsächlich jemand das Haus verlässt, nimmt Nadine Henn die Verfolgung auf. Ausgerüstet mit einer versteckten Waffe, Handschellen, Pfefferspray und einem Fernglas im Rucksack. Und dann steigt das Adrenalin. „Wir schauen den Einbrechern bei der Arbeit zu und haben die Chance sie festzunehmen“, betont Nadine Hell.
Und das macht den Reiz aus, findet die Polizistin, die seit fünf Jahren mit dabei ist. „Wir sind ihnen einen Schritt voraus. Der Überraschungsmoment ist auf unserer Seite und die Erfolgschance ist groß.“ Trotzdem sei sie während der Verfolgung angespannt. Als Streifenpolizistin hingegen sei sie montags auf die Wache gekommen und die Einbruchszahlen vom Wochenende wären auf sie eingeprasselt. „Dann kann man nichts mehr ändern, jetzt aber schon“, sagt sie. Heute morgen aber konnte das Team nichts Unauffälliges feststellen. Alles ist normal in der Siedlung.