Oberhausen. Der gelassene Rote in der Sterkrader Buchhandlung Wiebus erschlief sich sogar eine Auszeichnung, weil er sich so schön ins Schaufenster drapiert.
Chefs sollten sich vorsehen. Buchhändler Arndt Wiebus hat es erlebt. Eines Tages, vor zehn Jahren, spazierte jemand über den Hinterhof in die Buchhandlung. Dem namenlosen Wesen, das nichts besaß außer seinem roten Pelz auf dem Laib, genügte eine kurze Prüfung der Örtlichkeit. „Dann hat es die Geschäftsführung der Buchhandlung übernommen“, erzählt Wiebus.
Das Wesen war ein Kater, der schon bald auch seinen Namen gefunden hatte: Kobo Melone. „Kobo, weil er so koboldig hier ankam und Melone, weil wir im Kinderbereich mal eine Melone in seiner Farbe hatten“, sagt Wiebus.
Kobo Melone schläft sehr gerne auf dem Chefsessel. An diesem Morgen allerdings hat er sich auf einem Stück Teppich, das auf vier ineinander gestapelten Kartons liegt, eingerollt. Für seinen Besuch interessierte sich der Kater nicht die Bohne. „Er ist sehr souverän und selbstbewusst mit einem knarzigen Charme“, sagt Wiebus. Er denkt wohl, dass die Kunden nur seinetwegen reinkommen – wenn er nicht gerade schläft.
Dann springt Kobo Melone sofort auf den Verkaufstisch, wenn den Kunden ein Buch gezeigt wird. Aber nach zehn Jahren Arbeit in einer Buchhandlung ist er natürlich ein verdammt belesener Kater. Tatsächlich bekommt er viel eigenen Besuch, meist von jungen Mädchen.
Fixiert auf Fisch und frisches Wasser
Der rote Kater findet aber schon, dass Lesen wichtig ist. Erst kürzlich hat er selbst etwas dazugelernt. Da kam ihm „Das Tagebuch von Edward dem Hamster – 1990 bis 1990“ unter die Pfötchen. „Dass ein potenzielles Beutetier so viel philosophischen Tiefgang und ein so reichliches Seelenleben haben kann, hat Kobo Melone überrascht“, sagt Wiebus. Vielleicht ist das Katzentier ja auch deshalb auf Thunfisch und Lachs fixiert als Trocken- und Nassfutter. Und das Trinkwasser muss fließen. Es darf aber auch aus dem Fallrohr kommen.
Von Pöff und der Killerkatze
Kobo Melone hat natürlich auch einige Lieblingsbücher.
„Herr Schnuffels“ von David Wiesner erhielt 2015 den Jugendliteraturpreis in der Kategorie Bilderbuch. Erzählt wird die Geschichte von Kater Schnuffels, dessen Leben ziemlich spannend wird, als ein kleines Raumschiff mit winzigen Bewohnern in seiner Wohnung landet.
Besonders gut gefällt Kobo Melone auch Anne Fines „Tagebuch einer Killerkatze“. Katze Kuschel gerät in den bösen Verdacht, das Kaninchen der Nachbarn gekillt zu haben. Dabei war alles ganz anders . . .
Ein Name wie eine Sprachstörung
„Kein Kuss für Mutter“ von Tomi Ungerer ist ein Muss für den Nachwuchs findet der rote Kater. Denn die „Geschichte über zu viel oder zu wenig Liebe“, so der Untertitel, erzählt vom antiautoritären Jungkater Tobi Tatze, den seine Mutter ständig hätscheln, küssen und putzen will.
Arndt Wiebus und sein Chef sind beide überzeugt: „Eines der schönsten Katzenbücher ist ‘Tagebuch einer Katze’ von Remco Campert.“ Literarisch sei diese Geschichte am gelungensten.
Geschildert wird die Welt der Menschen aus der Sicht des Katze, die Pöff heißt, aber lieber Cleopatra oder Venus heißen würde. „Ich heiße Pöff. Jawohl, Sie lesen richtig. Pöff. Ein Name wie eine Sprachstörung“, stellt sich die Katze vor.
Oder aber Fisch und frisches Wasser sind Zeichen seiner katalanischen Vergangenheit. Denn auf den Straßen Spaniens wurde der einstige Straßenkater von einer Oberhausenerin mit nach Hause gebracht. Die Frau wohnt ganz in der Nähe und konnte ihren Exkater in dem Geschäft sogar gut beobachten.
Kobo Melone neigt ja nun auch zur Selbstdarstellung seines Schlafes. Gerne drapiert er seinen geschmeidigen, ruhenden Körper zwischen Büchern im Schaufenster. So gewann der gelassene Rote sogar im Schlaf. Als der Schöffling Verlag 2014 einen Preis für Schaufenster mit Katzenliteratur auslobte, erschlief sich Kobo Melone den 1. Platz. Das Leben ist nämlich viel einfacher als man denkt.
Arndt Wiebus, der das Geschäft mit Sohn Tilmann führt, hofft, dass Kobo Melone noch lange Jahre dieses Leben führen kann. Zu dem gehören auch Ausflüge und gerne mal, große Hunde in die Flucht schlagen.