Kürzlich war Oberhausen Heimathafen eines schönen Stücks Technikgeschichte – 14 Meter lang, 46 Tonnen schwer, 120 Jahre alt, schwimmfähig. Die „Ems“, die ihr Winterquartier in der Heinz-Schleußer-Marina am Rhein-Herne-Kanal gerade verlassen hat, um sich im Sommerhalbjahr auf der Ruhr zwischen Mülheim und Essen sehen zu lassen, gehört zu den ältesten noch funktionsfähigen Schleppern, braucht aber nicht mehr zu malochen und ist mittlerweile als „Sportboot“ klassifiziert.

Was hat es auf sich mit der „Ems“, deren Name in Goldbuchstaben auf rotem Grund am Heck prangt und damit signalisiert: Ich bin ein Museumsschiff! Im Heimatmuseum des ostfriesischen Ems-Anrainers Leer vor sich hin zu dümpeln, schien ihr letztes Schicksal zu sein, dem sie die in Duisburg ansässige „Speicherei- und Schiffahrtsgesellschaft mbh“ (S&S) entrissen hat. Dass die S&S „Schiffahrt“ noch mit Doppel-f schreibt, mag ihren Hang zur Tradition unterstreichen.

Jochen Lensing, jüngster Bruder eines „Speicherei“-Mitinhabers, kümmert sich um die „Ems“ mit Hingabe: „Wir sind familiär und geschäftlich mit dem Wasser verbunden, ich bin früher als Binnenschiffer gefahren, und das ist eine Leidenschaft, die mich nicht loslässt.“

In Amsterdam ist der Schlepper 1896 gebaut worden, zwei Mann Besatzung, Dampfmaschine, „Hendrine“ war der erste Name. Später schleppte die starke „Deern“ auch unter dem Namen „Wilma“ im Hafen von Rotterdam bis zu 1500 Tonnen-Schiffe – mit 90 PS. Es gab eine Reihe von Besitzerwechseln, mit denen sich mehrfach der Name änderte, der sechste (und letzte) ist „Ems“, als solche fiel sie in Leer den Speicherei-Leuten auf. Die waren auf der Suche nach einem Stück Tradition für ihre Firmengruppe, fanden Gefallen und hatten Glück: Die „Ems“ war zur Erbmasse geworden und daher günstig zu erwerben.

Das war 2006, und da lag der bis dahin bedeutendste Einschnitt schon Jahrzehnte zurück: 1950 war das Dampf- zum Motorboot geworden. Der Motor des US-amerikanischen Unternehmens GM hatte schon was hinter sich, er stammt nämlich aus einem der Landungsboote, die in der Normandie 1944 die Invasion ermöglicht hatten.

Sommerquartier in Kettwig

Die Maschine ist immer noch intakt, die Leistung beläuft sich auf 110 PS. Jochen Lensing strahlt: „Pro Stunde kommen wir mit fünf bis sechs Litern Diesel hin.“ Das reicht bei einem Tankvolumen von 450 Litern für die Sommersaison. „Wir mussten noch nie zweimal in einem Jahr tanken“, weiß der 72-Jährige.

Jetzt endete die Liegezeit in der Marina, nun tuckert die „Ems“ gen Kettwig und wird dort das Sommerquartier beziehen. Ab und an pendelt der Schlepper auf der Ruhr zwischen Baldeneysee und Wasserbahnhof. Befördert werden dann Gäste von Firma und Familie, für Vergnügungsfahrten gewerblicher Art gibt sich die „Ems“ nicht her.

„Aber vielleicht kann man da ja mal gucken“, meint Lensing, der sich übrigens schon freut: „Ab dem 12. Oktober sind wir wieder in der Heinz-Schleußer-Marina. Einen besseren Platz fürs Winterquartier kann ich mir nicht vorstellen.“ Wer in Oberhausen ein Herz hat für die Seefahrt, freut sich über diesen Zuwachs – und Jochen Lensing freut sich über jeden, der sich für die „Ems“ interessiert.