Oberhausen. . Mächtige Kolosse messen sich bei einer Mischung aus Sport und Theater. 800 Fans kamen in die Turbinenhalle zum größten Wrestling-Turnier in Europa.
Der Boden vibriert wie ein Wackelpudding. Dabei schlendert Walter Hahn gemächlich wie ein Spaziergänger - noch. Wer dem 1,93 Meter großen und 140 Kilogramm schweren 28-Jährigen in die Augen schaut, der weiß: Mit diesem Koloss ist heute nicht gut Kirschen essen. „Big Daddy Walter“, so sein Ringname, gehört zu den schillernsten Figuren des Wrestling-Verbandes „Westside Xtreme Wrestling“ (WXW).
Doch der gebürtige Wiener musste am Wochenende vor knapp 800 Fans in der Turbinenhalle mehr können, als nur die Muskeln spielen zu lassen. Bei der „16 Carat Gold Tournament“, hinter dessen glänzendem Namen nach Veranstalterangaben das größte Wrestlingturnier in Europa steckt, ist neben sportlicher Unverwüstlichkeit vor allem schauspielerisches Talent gefordert. Wrestling, das steht für eine Mischung aus Theater und Sport, eine Seifenoper mit bösen und guten Charakteren, die sich im Ring mit Flugeinlagen und vor dem Körper abgebremsten Tritten malträtieren und imponierende Sprüche an den Kopf werfen.
Turbinenhalle ausverkauft
Die Fans stehen direkt im Ring, feuern ihre Favoriten an: Sie tragen Fanschals und halten Schilder hoch. „Let’s go...“, „Auf geht’s...“, sie hämmern mit ihren Händen auf den wabbeligen Ringboden, der flexibel ist, um bei den Akteuren das Verletzungsrisiko zu verringern und einen schallenden Showeffekt zu schaffen — „Kawummm!“ Mit einem lauten Scheppern landen zwei Hünen auf dem Boden. Bei derartigen Flugeinlagen haben die Fans drumherum übrigens keine martialische Miene aufgesetzt - sie schmunzeln. Die Anhänger wissen: Alles, was passiert, steht im Drehbuch. Die Wrestler im Ring haben sich durch ein körperlich anspruchsvolles Training auf die Begegnungen vorbereitet.
Brite gewinnt das „16 Carat Gold Tournament“
Der Wrestling-Verband „WXW“ konnte von Freitag bis Sonntag viele internationale Starter anlocken, die im Turnier-Modus gegeneinander antraten. Am Ende hatte der Brite Zack Sabre Jr. bei der theaterreifen Keilerei die Nase vorne. Er setzte sich im Finale gegen den deutschen Lokalmatador Axel Dieter Jr. durch.
Mehr als 80 Kämpfe trägt die „WXW“ im Jahr aus. Der Verband tourt mit seinen Veranstaltungen durch das gesamte Land. Zur Show gehören etablierte Ringsprecher. Die Kämpfe werden teils live in Webradio-Sendungen übertragen. Die erste Show fand am Heiligabend 2000 in der Essener Diskothek „Roxy“ statt.
Alles klingt nach einer Seifenoper mit viel Testosteron aus dem Fernsehen: Hulk Hogan oder der „Undertaker“ sind bekannte Namen der fliegenden Muskelberge aus Übersee. Der Marktführer aus den USA heißt World Wrestling Entertainment (WWE), die WXW klingt ähnlich, ist aber tatsächlich eine Oberhausener Erfindung.
Gast-Wrestler aus den USA und England
Als größter europäischer Verband ist die WXW seit nunmehr 16 Jahren in Oberhausen heimisch und hat etwa mit dem Schweizer Claudio Castagnoli einen Wrestler hervorgebracht, der unter dem Künstlernamen „Cesaro“ in den USA ein Superstar geworden ist.
Doch auch in die Turbinenhalle sind Gast-Wrestler aus den USA und aus England gekommen. Oberhausen hat einen Namen in der Branche. Der Independent-Verband inszeniert den Ring-Ringelpiez wie die großen Vorbilder. Mit bulligen LED-Leinwänden, die goldene Schriftzüge zieren. Und einem von jubelnden (bei den „Guten“) und buhenden (bei den „Bösewichten“) Fans umlagerten Laufsteg, auf dem am Boden mit Klebeband der letzte Hinweis „Don’t jump“ („Nicht springen“) für die darüber stolzierenden Wrestler versehen ist. Ein kleines Detail im Getöse, das Charme hat.