Eskalation ist etwas, was in der Jugendsprache das höchste Gefühl der Feierwütigkeit beschreibt: Dass einige Herren, die mit strammen Schritten auf die 50 zugehen, diesen Begriff klirrend übertönen, unter Strom setzen und letztlich pulverisieren, dürfte selbst bei Nostalgie-Genervten respektvoll die Augenbrauen hochziehen lassen.

Bereits die Vorband sorgt am späten Freitag beim im Innenraum rappelvollen und auf den Rängen recht spärlich besuchten Konzert der britischen Genre-Rebellen The Prodigy dafür, dass einige Fans hektisch zu den Taschentuch-Verpackungen greifen. Papierkügelchen landen in empfindlichen Gehörgängen. Die Hip-Hop-Formation Public Enemy spielt die Ohren für einen denkwürdigen Arena-Auftritt warm.

Dass Frontmann Flavor Flav diesmal lieber als Harlekin statt mit seiner markanten Uhr als Umhängekette erscheint, signalisiert: Was auf den Wecker geht, kann heute sowieso draußen bleiben. So ignorieren im versteckten Getümmel und ungesehen vom Sicherheitspersonal einzelne aus der Arm-in-den-Himmel-reck-Fraktion sogar das Rauchverbot - „Fight The Power!“

Das Aufbegehren ist an dieser Stelle klug gewählt, einige Minuten später hätte es kaum einer auch nur annähernd verstanden. The Prodigy treiben den Tanz-Schweiß auf die Stirn. „Breathe“ vom 1997er-Album „The Fat of the Land“ trifft direkt in die Magengrube und lässt den Innenraum durchmischen, abtanzen und durchdrehen. Die Schweißperlen tropfen – dufte Düfte.

In den 1990er-Jahren halfen die experimentierfreudigen Briten, die elektronische Musik vom Einheitsbrei zu entschlacken. Daher kann die Band um Keith Flint, Liam Howlett und Keith Palmer auf eine regelrechte Fußball-Mannschaft an Genres zurückgreifen. House, Acid, Rock, Punk, Alternative, Big Beat – treffend und doch irgendwie weit daneben. The Prodigy leben seit 25 Jahren zwischen gefärbten Haarkanten und Rastalocken.

Scharfe Stroboskop-Lichter durchtrennen die Dunkelheit, während die erste Zuschauer-Reihe auf das gegenseitige Wachrütteln während des gesamten Konzerts nie verzichtet. Mikrofon-Akrobat Keith Flint zuckt noch immer mit den Schultern wie ein Boxer, der sich vor dem Kampf aufheizt, bevor er in Protzposen die Muskeln spielen lässt oder sich wie in einem Arcade-Karate-Videospiel mit Band-Kollegen in Lufttritten misst.

Es ist ein lautes, teils markerschütterndes Konzert, das kaum Dynamik vermissen lässt. Manche E-Gitarre muss nach brachialen Flugeinlagen mehr als nur Schrammen einstecken. Die Spielzeit von 80 Minuten enttäuscht dagegen.