Das Wohl von Kindern, die unter drei Jahre alt sind und in Krippen betreut werden, ist massiv gefährdet. So sieht es Karl Heinz Brisch, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Forscher im Bereich der frühkindlichen Entwicklung. Der renommierte Wissenschaftler aus München war in dieser Woche Gast-Referent bei der Tagung, zu der der Rotary Club Oberhausen Antony-Hütte und der Oberhausener Kinderschutzbund eingeladen hatten.

Zum Thema „Gemeinsame Verantwortung in der U3-Betreuung – ein Dialog“ hatte Karl Heinz Brisch einiges zu sagen. Im Gespräch mit dieser Zeitung erläuterte er seine Kernthesen. Brisch übt deutliche Kritik an der derzeitigen Politik des Ausbaus an Betreuungsplätzen für unter Dreijährige. Der seiner Meinung nach ausschließlich auf Quantität, aber nicht auf Qualität setze. „So bringen wir eine ganze Generation von Kindern auf den Weg, die im Kindergarten und in der Schule auffällig werden und verhaltensgestört sind – und dann zur Freude der Pharmaindustrie mit Neuroleptika behandelt werden.“

Für seinen düsteren Blick in die Zukunft hat der Fachmann gute Argumente. Um ein seelisch gesunder, glücks-, beziehungs- und empathiefähiger Mensch zu werden, muss das Baby und Kleinkind die Erfahrung von sicherer Bindung gemacht haben. Das gewährleisten feste Bezugspersonen, die auf das Kind eingehen, sich kümmern, seine Äußerungen (schreien, weinen) richtig deuten. „Das muss nicht die Mutter sein, das kann auch eine Erzieherin oder Tagesmutter sein“, stellt Brisch klar. „Aber dann müssen die Bedingungen stimmen, die Zeit vorhanden, Konstanz und Verlässlichkeit gegeben sein.“ Eine Betreuerin dürfte sich in einer Kita oder Tagespflegegruppe maximal um zwei, drei Kinder kümmern – es sind aber meistens deutlich mehr. Und dann würden Kinder nur noch verwahrt. „Auch Erzieherinnen sind unglücklich mit der Situation.“

Um die drohende Katastrophe zu verhindern setzt der Forscher auf Überzeugungsarbeit, auf „den Druck von der Straße“, der die Politik dazu bringt, bei der Betreuung von unter Dreijährigen auf Qualität zu achten, sprich mehr Geld in die Hand zu nehmen für gutes Personal.