Oberhausen.. In Oberhausen-Osterfeld sorgt der geplante Neubau eines Supermarkts für viel Streit. Anwohner fürchten Lärm und Hausabriss. Investorin nimmt Stellung


Nur ein Schotterparkplatz und wenige Meter zu Fuß trennen die Hirsch-Apotheke und das Nachbarhaus an der Vestischen Straße – doch zwischen den beiden Gebäuden liegen Welten. Ein heftiger Streit tobt, seit bekannt wurde, das auf einem privaten Garten hinter der Apotheke ein Netto-Markt gebaut werden soll. Er soll den kleinen Laden schräg gegenüber ersetzen. Nachbarn fürchten um ihr Wohnumfeld, die Investorin um die Zukunft ihres Familienbetriebs.

Apothekerin Sylvia Schlutius trommelt vor dem Kurzinterview im Büro einige der zehn Mitarbeiter fürs Foto zusammen. Schlutius will so zeigen, worum es ihr geht.

Wieso wollen Sie einen 4000 Quadratmeter großen Garten pflastern, um Netto zu bauen?

Schlutius: „Wenn der Netto Heide verlässt, befürchten wir, dass die Menschen hier nicht mehr einkaufen gehen. Das hat Auswirkungen auf unsere Apotheke. Wir wollen investieren und den Standort der Apotheke sichern. Zu dem neuen Netto gehört, dass wir eine neue Apotheke mit zwei Arztpraxen für unsere derzeitigen Mieter bauen wollen. Unsere bestehenden Räume sind dringend modernisierungsbedürftig. Weder die erforderliche Modernisierung, noch der Neubau lassen sich wirtschaftlich ohne den neuen Markt darstellen.“

Den Bürgern reicht der neuer, vor Gericht erstrittene Kaufpark.

„Den Kaufpark hat das Gericht meines Wissens genehmigt, eben weil Heide durch den einen kleinen Netto nicht mehr seine Funktion als Nahversorgungsgebiet erfüllen kann. Kaufpark gehört zu den Vollversorgern mit höherwertigen Produkten, die häufig als Ergänzung einen Discounter in der Nähe haben. Beide Firmen wussten von dem jeweils anderen Projekt und halten gerade deshalb daran fest. Nahversorgung ist mehr als ein einziger Markt, das sind alltägliche Dinge, da zählen wir uns auch als Apotheke dazu. Die wäre langfristig gefährdet.“

Dafür wird Grün bebaut.

„Meine Familie ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts hier. Das ist altes Gartenland, aber privates. Für uns ist es uns unverständlich, dass es hier als öffentlicher Park oder Naturschutzgebiet dargestellt wird.“

Drei bis fünf Meter hohe Lärmschutzwände

Soweit einige Antworten der Investorin. Deren Pläne sehen vor, den Schaden für die Umwelt durch den Netto-Markt abzumildern: So sollen auch die Dächer des neuen eingeschossigen Ladens begrünt werden, möglicherweise wird auch versickerungsfähiges Pflaster eingesetzt. Ersatzpflanzungen sind geplant. Für die Anwohner wird es durch den 1020 Quadratmeter großen Netto mit über 80 Parkplätzen lauter: Drei bis fünf Meter hohe Lärmschutzwände sind vorgesehen.

Direkt betroffen sind die Claßens, die neben der Apotheke wohnen. In einem Altbau lebt Jürgen Claßen mit seiner Frau und seinen betagten Eltern. Das Haus gehört Immeo;

der liebevoll gestaltete, große Garten wird kostenfrei genutzt. Früher hat Immeo das Areal den Claßens zum Verkauf angeboten – zum Abschluss kam es nicht.

Nun hat Apothekerin Schlutius für dieses Haus und den Garten unterschrieben, mit Baurecht für Netto tritt der Kauf in Kraft. Laut Plan wird im Garten die neue Apotheke dort stehen. „Wir befürchten, dass auch unser Haus abgerissen wird“, sagt Claßen.

Vermittler einschalten


Bürgerbeteiligung ist im Planungsrecht klar vorgegeben. Die Stadt hat betroffene Bürger bei Vorhaben wie hier in Osterfeld zu informieren. Einwände werden eingereicht, beurteilt und im besten Fall in die Pläne aufgenommen. In Heide reicht das längst nicht mehr: Die Fronten zwischen den Bürgern und der Investorin sind derart verhärtet, dass es wundert, warum die Stadt noch nicht eingeschritten ist. Die Diskussion, die vor Haustüren und in sozialen Netzwerken vehement geführt wird, droht das Miteinander in der Nachbarschaft zu entzweien. Man wirft sich gegenseitig vor zu lügen und Ängste zu schüren: Auf beiden Seiten liegen die Nerven blank, beide Seiten haben viel zu verlieren. Sowohl der Erhalt alteingesessener Geschäfte wie ein angenehmes Wohnumfeld sind wichtig für einen lebendigen Ortsteil. Die Stadt sollte hier einen Mediator einsetzen.

Über 1000 Unterschriften haben er und andere Anwohner gesammelt. Sie befürchten mehr Abgase und Krach. Die Stadt versucht zu beschwichtigen: Schon heute sei es an der Vestischen Straße so laut, dass bei neuen Wohnhäusern spezielle Schallschutzfenster und Lüftungen nötig wären. So steht es in einem Bericht zum Bebauungsplan. „Der Lärm wird durch den neuen Markt nicht maßgeblich mehr.“

Schlutius betont: Abreißen wolle sie Claßens Wohnhaus nicht. „So lange das ältere Ehepaar will, kann es dort wohnen bleiben. Weder ihr Haus noch die Häuser links der Apotheke werden abgerissen.“ Auch sie sammelt Unterschriften – für den Markt. Und auch sie erfahre Unterstützung.