Oberhausen.. 10.000 Anhänger der türkischen nationalistischen Partei feiern: Polit-Pathos, Wolfsgruß und ein weiß-rotes Fahnenmeer. Einblick in eine fremde Welt.
Am 7. Juni sind Parlamentswahlen in der Türkei. Was das mit Oberhausen zu tun hat? 10 000 Anhänger der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), in Deutschland besser bekannt als „Graue Wölfe“, jubelten am Sonntag in der König-Pilsener-Arena dem Parteivorsitzenden Devlet Bahçeli zu. Der kam auf Wahlkampf-Tour vorbei, um die Stimmen der Eingewanderten mit türkischen Pässen buhlend. Im Vorfeld war das Arena-Management scharf dafür kritisiert worden, den rechten Ultranationalisten eine Bühne geboten zu haben.
Ein Besuch bei fahnenschwenkenden Nationalisten und heiseren Pathos-Politikern und ein Blick in eine fremde Welt.
Mucksmäuschenstill ist es in der Arena. Tausende Frauen, Männer, Kinder stehen in den Reihen, die Arme ausgestreckt, Zeige-, Mittelfinger und den Daumen zum sogenannten Wolfsgruß geformt. Laut setzt die Musik ein, voll Inbrunst singen sie, brüllen beinahe die Nationalhymne. Um gleich darauf in Jubel auszubrechen, weil Devlet Bahçeli die Bühne betritt, seit 1997 Parteivorsitzender der MHP.
Türkischer Polit-Stil
Mit blumigen Worten wendet Bahçeli sich an die in Europa lebenden Türken, die „wie ein Fels in der Brandung“ Angriffen auf ihre Kultur, Sprache und Religion standhielten. „Ihr habt eure Identität nicht aufgegeben“, lobt er. „Ich bin stolz auf euch.“ Auf zwei riesigen Videoleinwänden wird seine Ansprache übertragen, während er immer heiserer wird, sich räuspert, am Satzende lauter werdend sich immer häufiger überschlägt. Was für deutsche Ohren befremdlich klingt, ist in der Türkei durchaus üblicher Politik-Stil.
Dennoch: Bahçeli ist ein Hardliner und das merkt man auch seiner Rhetorik an. Er beschimpft den politischen Gegner, die regierende Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) von Präsident Recep Erdoğan, indem er vorgibt, die Interessen seiner Zuhörerschaft zu verteidigen: „Die AKP interessiert sich nicht für die europäischen Türken. Sie ist eine Schande für die türkische Politik. Sie sieht in euch nur den Devisen-Bringer und es ist ihr ein Dorn im Auge, wenn ihr euch selbst als Türken bezeichnet.“
Buh-Rufe für Vorwurf des Genozids
Auch Deutschland greift er an: „Kurden, Aramäer, Armenier, alle beschweren sich über uns, alle wollen eine Entschuldigung von uns“, sagt Bahçeli, auf die Debatte um den Völkermord an Armeniern vor 100 Jahren anspielend. „Sie alle treffen sich in der Genozid-Lobby. Sie wollen die Türkei verleumden. Doch wie kann Deutschland sich daran beteiligen? Wir waren doch Schicksalsbrüder im Ersten Weltkrieg.“ Die Deutschen sollten sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen, sagt Bahçeli. „Wir haben keinen Hitler hervorgebracht. Wir haben keine Menschen vergast. Die Türkei hat niemals einen Völkermord begangen.“
„Buuh!“ rufen laut die Anhänger, wenn das Wort „Genozid“ fällt. Ihre Stimmen hat die MHP sicher.