Durch das Sprossenfenster äugelt die Sonne vorsichtig hindurch, so als ob sie einen Blick auf die Gemälde erhaschen möchte. In Reih und Glied stehen diese in den Depotfächern oder hängen an den Wänden und warten, bis sie einen neuen Besitzer finden. Denn diese Kunstwerke hier sind besondere. Sie sind zum Mitnehmen und Wiederbringen, sie machen das Wohnzimmer hübsch oder peppen das Schlafzimmer auf. Hier, in der Artothek der Ludwiggalerie, können sich Kunstliebhaber oder solche, die es werden wollen, Bilder und Skulpturen ausleihen. Doch: Wer tut so was?

Ach, eine ganze Menge, wenn man Ursula Bendorf-Depenbrock und Barbara van Gellecom fragt. Oberbürgermeister Klaus Wehling zum Beispiel. In seinem Büro sind Bilder von Ottmar Alt zu sehen, weiß Barbara van Gellecom. Auch Kämmerer Apostolos Tsalastras leiht sich hier das eine oder andere Stück aus. Nun ja, der OB und der Kulturdezernent – aber gibt es auch Otto-Normal-Ausleiher? Kräftiges Nicken bei beiden Damen. „Wir haben Kunden, die kommen seit Eröffnung der Artothek im Jahr 1977 immer wieder her“, sagt van Gellecom. Aber es gibt auch ständig neue Kunden, die sich Bilder oder Skulpturen ausleihen und in ihrer Wohnung aufhängen und aufstellen. Einige bringen gar ganze Mappen mit Fotos mit, auf denen zu sehen ist, wie das Wohnzimmer aussieht. Dann sind Ursula Bendorf-Depenbrock und Barbara van Gellecom gefragt: Welches Bild passt in welches Zimmer? Zum neuen Erlenboden? Zur neuen Wandfarbe?

Doch die Einrichtung ist nur eine Seite der Medaille. Das Ausleihen von Kunst, es ist schick geworden. „Es gehört zum guten Ton, sich mit Kunst zu beschäftigen“, sagt Ursula Bendorf-Depenbrock, die seit mehr als zehn Jahren die Artothek leitet. Für viele sei der Besuch der Artothek auch eine erste Auseinandersetzung mit Kunst. In eine Galerie traue sich so mancher vielleicht nicht rein, so Bendorf-Depenbrock, und festlegen möchte er sich mit dem Kauf eines oft teuren Bildes erst recht nicht. Wobei es nicht ausgeschlossen ist, dass eine Leihgabe der Artothek so gefällt, dass sie der Kunde doch irgendwann kauft. Genaue Zahlen, wie viele Kunstwerke in der Artothek veräußert werden, gibt es nicht. „In einem Jahr sind es drei, in einem Jahr wird keines gekauft“, sagt van Gellecom.

Manchmal kommen die Artothek-Kunden allein, um einfach zu schauen, was es Neues gibt. Manchmal kommen Ehepartner, jeder leiht sich das, was ihm gefällt. Und manchmal kommen ganze Familien, bei denen dann die Kinder Mitspracherecht bei der Wahl nach dem richtigen Hingucker haben.

Die Kunstwerke stammen zum Teil aus der städtischen Sammlung, zum Teil sind es Leihgaben von Künstlern. Die Unterstützung durch die Künstler sei toll, meint Bendorf-Depenbrock, die immer auf der Suche nach Künstlern ist, die ihre Werke zur Verfügung stellen. Einige Künstler fragen auch in der Artothek nach, welche Personen die Bilder ausleihen, um sie womöglich zu eigenen Vernissagen einzuladen.

Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und deshalb sind auch unterschiedliche Kunstwerke gefragt. Liebhaber der Technik und des Handwerks leihen sich auch schon mal gern Holzschnitte oder Radierungen aus. Ansonsten sind Malereien auf Leinwand gefragt, mal groß, mal klein. Meistens mit einer heiteren Grundstimmung. „Das andalusische Gespräch“ von Antonius van der Pas ist wohl das begehrteste Objekt. Leider können wir es an dieser Stelle nicht näher beschreiben – es ist ausgeliehen. Wie fast immer. Und das seit 1977!

Auch die Bronzeskulpturen im Erdgeschoss, der „Butt“, das „Wildschwein“ oder die „Edda“, sind seit Beginn an im Bestand der Artothek und gern geliehene Objekte. „Dem Wildschwein hat ein Ehepaar kürzlich sogar einen Namen gegeben“, sagt Bendorf-Depenbrock. Das ist Kunst. Zum Anfassen, zum Mitnehmen.