Oberhausen. . Der Ortsteil Königshardt liegt auf der Sonnenseite der Oberhausener Stadtkarte. Nirgendwo sonst gibt es weniger Arbeitslose und Sozialhilfe-Empfänger.

Es ist ein bisschen wie im Urlaub. Überall gibt es was zu gucken – Villen, exotische Pflanzen, außergewöhnliche Architektur. Und wenn wie jetzt im Winter die Hecken ihren natürlichen Sichtschutz verlieren, kann man einen Blick auf schicke Skulpturen leicht bekleideter Damen erhaschen, wie man sie aus dem Italien-Urlaub kennt. Es gibt sie tatsächlich, diese Straßen und Ecken in Königshardt, die so ziemlich jedes Klischee eines reichen Stadtteils bedienen.

Oberhausens Nord-Süd-Gefälle ist kein Geheimnis. Der Norden liegt klar auf der Sonnenseite der Stadtkarte. Problem-Bezirke wie die Altstadt finden sich dagegen im Süden. Die Quoten der Arbeitslosen (18,5 Prozent) und Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind (34 Prozent), sind nirgendwo höher als zwischen Markt- und Grenzstraße. In Königshardt dagegen sind die Zahlen so niedrig wie nirgendwo sonst in Oberhausen: Die Arbeitslosenquote liegt bei drei Prozent, ebenso die Quote der Sozialhilfe-Empfänger. Ein Spaziergang durch Oberhausens reichsten Stadtteil.

Angst vor Neiddebatten

Andernorts würden Reporterinnen mit Stift und Block in der Hand womöglich gar nicht auffallen. An der ansonsten menschenleeren Meisenstraße fühlt man sich dagegen wie ein Eindringling. An jedem dritten Fenster bewegen sich die Gardinen zur Seite, die Bewohner blicken der Fremden skeptisch hinterher.

Zahlen und Fakten

Königshardt wird eingegrenzt durch die Stadtteile Walsumermark, Schmachtendorf, Alsfeld und Tackenberg-West. Im Osten grenzt Königshardt an die Stadt Bottrop. Der Stadtteil gehört zum Bezirk Sterkrade.

Laut Oberhausener Sozialstrukturatlas lebten Ende 2013 insgesamt 7564 Menschen in Königshardt. Der Anteil der Unter-18-Jährigen beträgt 13,3 Prozent, der Anteil der Über-65-Jährigen liegt bei 25,3 Prozent. Königshardt ist ein relativ alter Stadtteil: Der Jugendquotient liegt bei 21,7 Prozent, der Altenquotient bei 41,2 Prozent. Noch höher ist er nur in Rothebusch (41,6).

Nirgendwo sonst in Oberhausen ist der Anteil ausländischer Mitbürger so gering wie in Königshardt (3,5 Prozent). Der Anteil der Familien mit Kindern liegt im Vergleich zu anderen Stadtteilen mit 18,5 Prozent im unteren Mittel.


„Nehmen Sie es uns nicht übel“, sagt eine Anwohnerin und lacht. Die Mittfünfzigerin lädt gerade den Wocheneinkauf aus ihrem neuen Kleinwagen. „Das hat nichts mit Unfreundlichkeit zu tun. Aber man kann ja nie wissen, wer hier durch die Gegend schleicht.“ Ihren Namen möchte die Königshardterin nicht so gerne in der Zeitung lesen – aus Angst vor Neiddebatten.

Harte Arbeit

„Ich weiß, dass es uns hier verdammt gut geht – und dass es bei anderen Leuten nicht so gut läuft.“ Sie wolle aber nicht das Gefühl haben, sich für irgendetwas entschuldigen oder rechtfertigen zu müssen. „Mein Mann und ich arbeiten hart für unser Geld.“ Eine größere Erbschaft brachte der Familie zudem recht früh finanzielle Sicherheit.

Von dem Erbe hat sich das Paar vor Jahren ein Einfamilienhaus gekauft. Von denen gibt es viele in Königshardt. Mehrfamilienhäuser gibt es selbstverständlich auch (das wohl bekannteste ist das blaue Haus), sind aber in der Minderheit. Laut Statistik haben Gebäude mit Wohnraum in Königshardt durchschnittlich 2,1 Wohnungen. Zum Vergleich: In der Innenstadt sind es 5,6. Der Anteil an Sozialwohnungen liegt in Königshardt bei 8,4 Prozent. In Lirich-Süd sind es 27,7 Prozent.

Gründe des Nord-Süd-Gefälles

Dem Norden Oberhausens geht es besser als dem Süden. Das Einkommen ist höher, der Anteil an Menschen ohne Job ist deutlich geringer als etwa in der Oberhausener Innenstadt. Woran liegt das?

Einen Grund, warum es dem Norden der Stadt so viel besser geht als dem Süden, sieht Dieter Janßen unter anderem in der späten Bebauung des Gebietes nördlich der Emscher: Erst in den 60er-/70er-Jahren seien vermehrt Häuser errichtet worden. „Vorher war hier plattes Land“, erinnert sich Janßen.

Steigt die Nachfrage, steigt der Preis

Ackerflächen und Weidegrund haben damals das Bild des Oberhausener Nordens geprägt. Der Großteil der Fläche wurde landwirtschaftlich genutzt. Auch heute spiele die Landwirtschaft noch eine größere Rolle als in anderen Stadtgebieten, sagt Janßen. Der Hof der Familie Köster an der Grenze zu Schmachtendorf etwa sei ein wichtiger Faktor bei der Nahversorgung.

Und genau dieses Ländliche mache das Gebiet so attraktiv, meint Dieter Janßen. Auch in den vergangenen Jahren sei die Nachfrage gestiegen, es entstehen immer mehr Neubaugebiete. Und so ist das halt: Steigt die Nachfrage, steigen auch die Preise.

„Ja, es stimmt, der Norden hat seine Stärken“, sagt Dieter Janßen, Königshardter und ehemaliger Bezirksbürgermeister von Sterkrade. Die Nähe zur Natur mag er zum Beispiel sehr. Und die seiner Meinung nach vielen Freizeitmöglichkeiten. Kann es nicht für Jugendliche auch ein wenig langweilig sein? „Wir sind sehr gut ans Nahverkehrsnetz angeschlossen“, sagt Janßen. „Wer mal ins Kino oder in die Disco will, setzt sich einfach in den Bus.“

Es gibt auch Sorgenkinder

Doch auch Königshardt sei nicht gänzlich ohne Probleme. Man muss nur die Augen auf machen. Oder den Kopf einfach mal um 180 Grad drehen: Auf dem Weg zur Immen-straße fällt ein wunderschönes Haus auf. Kein Blättchen liegt im Vorgarten, Sträucher und Büsche sind so akkurat angeordnet als hätte ein Landschaftsgärtner vor dem Pflanzen das Grundstück vermessen. Genau gegenüber: ein kleines, verlassenes Häuschen. Das Unkraut sprießt die bröckelnde Fassade hinauf, Sperrmüll liegt im Vorgarten. Hier scheint sich schon lange niemand mehr zu kümmern.

Ein weiteres Sorgenkind: die Betuwe-Route. Wenn der Ausbau der Güterzug-Linie erst einmal abgeschlossen sei, würden tonnenschwere Waggons lautstark über die Schienen rollen, sagt Dieter Janßen. Durch die Nähe zur Autobahn sei es jetzt schon nicht sehr ruhig in Königshardt. Wegziehen wolle er deswegen aber nicht. Dieter Janßen weiß, was er an seiner Heimat hat. „Wer einmal hier ist, möchte auch hier bleiben.“