Oberhausen. Der Fall eines Jungen aus Gaza, der bei einem Raketenangriff schwer verletzt worden war, machte weltweit Schlagzeilen. Einzelne Kinder hervorzuheben, will das Friedensdorf aber eigentlich vermeiden.
Der Fall hat bundesweit Schlagzeilen gemacht: Ein zehnjähriger Junge aus Gaza wurde bei einem Raketenangriff schwer verletzt. Bilder des Kindes waren im TV zu sehen, die „Tagesthemen“ berichteten. Die Journalisten verfolgten auch das weitere Schicksal des Jungen, waren also auch dabei, als ihn das Friedensdorf – mit rund 40 weiteren verletzten Kindern – im September nach Deutschland holte. Der Fernsehbeitrag wurde bei Facebook und in anderen sozialen Medien Hunderte Male geteilt. Der Junge wurde zum „kleinen Star“, wie Friedensdorf-Mitarbeiter Wolfgang Mertens sagt.
Doch genau das offenbart ein Grundproblem der Oberhausener Kinderhilfsorganisation: die Pressearbeit. „Wir sind natürlich auf mediale Unterstützung und positive Berichterstattung angewiesen“, sagt Friedensdorf-Leiter Thomas Jacobs. „Wir müssen aber auch die Intimsphäre unserer Kinder schützen.“
Er kann durchaus nachvollziehen, dass Einzelschicksale für die Medien „attraktiver“ sind. Seine Aufgabe sei es aber auch, dafür zu sorgen, dass diese Einzelschicksale nicht medial ausgeschlachtet werden. Die Leute meinten es ja nur gut, „aber es kann nicht sein, dass der Junge im Krankenhaus geschützt werden muss, weil Dutzende Menschen vorbeikommen, um ihre Solidarität zu bekunden.“
„Ihr seid alle gleich“
„Auf die Tränendrüse zu drücken, wäre für uns ein Leichtes“, sagt Jacobs. „Aber das wollen wir nicht. Wir wollen auf die Arbeit und die Gesamtsituation im Friedensdorf aufmerksam machen.“ Der Junge aus Gaza ist ein Kind von insgesamt rund 300, die momentan im Friedensdorf leben. „Und unsere Botschaft an die Kinder kann nur sein: Ihr seid alle gleich und gleich wichtig!“, sagt Wolfgang Mertens. Dies zu vermitteln, sei aber schwierig, wenn Medien immer wieder einzelne Kinder für ihre Berichterstattung herauspicken würden. Bei jeder Anfrage von Journalisten müsse er jedes Mal aufs Neue verhandeln und einen Kompromiss finden. „Das haben wir immer so gemacht und daran wird sich auch nach dem Medienrummel nichts ändern“, sagt Mertens. „Es ist ein schmaler Grat, ein Ritt auf der Rasierklinge.“
Auch interessant
Die Reaktionen auf den Fernsehbericht waren indes nicht nur positiv. Es hagelte auch Kritik an der Arbeit des Friedensdorfes. Warum der Vater des Jungen nicht auch nach Deutschland geholt wurde, fragten viele. „Das können wir nicht leisten“, sagt Thomas Jacobs: Finanziell sei es nicht möglich, außerdem sei es sehr schwierig, Visa für die Erwachsenen zu bekommen. „Und unsere Spendengelder sind nun mal für die verletzten Kinder da, nicht für die Eltern.“ Und die Jungen und Mädchen aus ihren Familien zu nehmen, sei sozial verantwortbar. „Die Kinder finden sehr schnell andere Bezugspersonen“, erklärt Jacobs. Und sie unterstützen sich untereinander, pflegen ihr Heimweh, lachen und streiten miteinander. Gemeinsam tun sie alles dafür, so schnell wie möglich gesund zu werden und wieder nach Hause zu reisen.