Oberhausen. Den neunstündigen Dokumentarfilm „Shoah“ sahen Schüler des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums in Essen.Das Werk bewegte viele der jungen Menschen tief. Regisseur Claude Lanzmann enttäuschte allerdings im Gespräch.

Müde und aufgewühlt sind die Schüler, die am Montagvormittag im Raum F20 des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums sitzen. Einen Tag zuvor haben sie den Dokumentationsfilm „Shoah“ in der Essener Lichtburg gesehen. Es war ein langer Tag für die Jugendlichen, die kurz vor dem Abitur stehen. Der Holocaust, den der neunstündige Film thematisiert, ist für sie ein weit entferntes, ungeheures Ereignis in der mitteleuropäischen Geschichte – das ihnen oft nur aus dem Geschichtsunterricht bekannt ist.

Auch die Veranstalter, die nicht nur den Film im Kino zeigten, sondern auch den Regisseur Claude Lanzmann nach Essen holten, richten sich explizit an Jugendliche mit dem Projekt. „Die üblichen Zahlen, Dokumente und Leichenberge, ihre ständige Wiederholung, haben bei der jungen Generation zu einer Abwehr geführt“, schreiben sie im Programmheft. Dass die jungen Menschen heutzutage das Thema „satt“ haben, glauben sie aber nicht.

In der Freizeit vorbereitet

Die knapp 20 Schüler des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums sind ein Beleg für diese These und gleichzeitig der Gegenbeweis. Mit dem Film beschäftigten sie sich in ihrer Freizeit. An zwei Nachmittagen bereiteten sie ihn vor, sonntags gingen sie ins Kino. „Wir wollten niemanden unvorbereitet in den Film lassen“, sagt Jonathan Heuer (28). Der Referendar hat das Projekt an der Schule zusammen mit seiner Kollegin Melanie Schöppe (30) geplant und begleitet.

Die Schüler bewegte dann vor allem, dass es Zeitzeugen – sowohl Täter als auch Opfer – waren, die über den Völkermord an den Juden in Europa sprachen. Bilder von Leichenbergen brauchte es da gar nicht, um die ein oder andere Schülerin zu Tränen zu rühren. Aber nicht bei allen rief der Filme solche Gefühle hervor: „Auf emotionaler Ebene hat mich der Film nicht berührt“, sagt die 18-Jährige Celine Schwarz. „Es ist schwer sich in das Leid der Menschen hineinzuversetzen, wenn man selber nicht dabei war.“ Dass sich junge Menschen mit der Zeit des Nationasozialismus in Deutschland und eben auch dem Holocaust beschäftigen, hält sie aber für enorm wichtig. Zum Projekt hat sie sich angemeldet, weil „Shoah“ sich nicht auf das Nazi-Regime fokussiert, sondern den Blick auf die Menschen weitet, die direkt betroffen waren. Das war auch die Triebfeder für Katharina Hoffhaus (18): „Es war eine Herausforderung, sich mit diesem Schrecken neun Stunden zu konfrontieren.“ Beide Schülerinnen wissen aber, dass bei vielen das Interesse am Thema fehlt. In ihrem Freundeskreis gibt es nur wenige, die mehr erfahrenen wollen als sie für den Geschichtsunterricht brauchen.

Auch wenn die Meinungen über den Film auseinandergehen, in einer Sache sind sich die jungen Leute fast ausnahmslos einig. Die Fragerunde mit dem Regisseur Claude Lanzmann half ihnen nicht, die Shoah besser zu verstehen. „Die Fragen hat er entweder ignoriert oder mit Gegenfragen beantwortet“, sagt Celine Schwarz. Viele ihrer Schulkameraden stimmen ihr zu. Im Gespräch spürten sie wenig vom Einfühlungsvermögen des Regisseurs, der die meisten von ihnen mit seinem Werk so tief berührt hat.