Oberhausen. . Henning Klingen und sein Käfer sind unzertrennlich. Manchmal nimmt er fremde Menschen auf seinen Spritztouren mit, die dann in Erinnerungen schwelgen.

Für Henning Klingen war es Liebe auf den ersten Blick, als er vor fünf Jahren den schrottreifen VW-Käfer am Straßenrand sah: Seitdem ist der blaue Flitzer, den er liebevoll „Karlchen“ nennt, ein treuer Wegbegleiter, mit dem sein Besitzer lustige, abenteuerliche und traurige Momente erlebte. Von seiner unvergesslichen Käfergeschichte berichtet der 27-Jährige im NRZ-Gespräch.

Eigentlich wollte Klingen gar kein Auto mehr kaufen. Aber „Angucken schadet ja nicht“ dachte er sich, nachdem sein bisheriges Modell leider den Geist aufgab. „Als ich ihn dann sah, war es auch schon zu spät. Ich habe mich sofort in die Farbe verliebt“, erzählt der 27-Jährige. Für ihn war in diesem Moment klar: Der musste es sein. Und so legte er gut 1500 Euro auf den Tisch – obwohl noch jede Menge Arbeit vor ihm lag. „Im Nachhinein hätte ich noch Geld bekommen müssen, um den Rosthaufen mitzunehmen“, scherzt Klingen. Wie der Preis zustande kam, eröffnete sich ihm recht schnell: „Die Fußmatten flatterten im Wind, weil der Boden komplett weggerostet war. Beim Auffahren auf die Autobahn flogen einige Zierleisten und der Seitenspiegel davon.“

Karlchen fährt auf Edith ab

Viel Liebe und Zeit investierte er, um den Wagen in Eigenregie bis auf die letzte Schraube auseinanderzunehmen. Vor allem die Mitmenschen seien für ihn und Karl dabei einfach unerlässlich: „Ich war auf dem Gebiet kompletter Neuling. Doch stets waren helfende Hände zur Stelle, die einen anschoben, wenn mal wieder der Anlasser streikte oder ich vergessen habe, das Licht auszumachen.“

Doch wie ist der blaue Käfer überhaupt zu seinem Namen gekommen? „Nie werde ich vergessen, wie die Vorbesitzerin sich weinend von ihrem Auto verabschiedete: Sie streichelte den Wagen und sagte mir durchs Fenster: ‘Ach, bevor ich es vergesse, der Wagen heißt Karl, pass gut auf ihn auf.’“ Und so heißt er bis heute: Karl, der Käfer, und ist bekannt wie ein bunter Hund. Selbst eine eigene Fangemeinde hat der blaue Flitzer mittlerweile auf der Internetplattform Facebook: „Ich habe davon gar nichts mitbekommen – einfach Wahnsinn wie sich der Kult um Karlchen-Käfer entwickelt hat.“ Auch eine feste Freundin hat sein Flitzer: „Die Ente kommt aus Frankreich und heißt Edith – er fährt voll auf sie ab“, lacht Klingen.

Passanten zaubert der Anblick ein Lächeln ins Gesicht, traubenweise bleiben sie stehen und fachsimpeln über die Technik – fühlen sie sich doch glatt in die eigene Kindheit zurückversetzt: Kein Wunder, ist der 1300er Käfer von 1970 auch ein wahres Schätzchen. „Ich versuche, alles originalgetreu nachzubauen. Außer der Dachgepäckträger, der ist nicht nur praktisch, sondern auch ein echter Blickfang.“ Schränke, Grünschnitt oder eine Badewanne hat Klingen schon auf Karlchens Dach transportiert: „Die Leute bleiben dann stehen, machen Fotos oder Videos – einfach unglaublich.“ Manchmal nehme er auch wildfremde Leute mit auf eine Spritztour: „Sie erzählen mir dann ihre schönsten Erlebnisse, denn an seinen Käfer denkt jeder gerne zurück.“

Fehlende Tankanzeige

Karlchen hat seinen Besitzer bisher nie im Regen stehen gelassen, selbst nach Holland hielt er trotz fehlender Tankuhr tapfer durch: „Für den Notfall habe ich immer ein paar Pfandflaschen dabei – Karl hat mich einfach gelehrt, viel entspannter zu sein und mich über Kleinigkeiten nicht so aufzuregen“, sagt der 27-Jährige. Getreu dem Motto: Geht die Tankanzeige nicht, schau wie weit du kommst.

Regnet es rein, leg einen Lappen drunter. Funktioniert die Hupe nicht, schrei deine Wut aus dem Fenster. Und das Wichtigste: Macht der Wagen komische Geräusche, dreh das Radio lauter. Klingen: „Ich habe Karl bestimmt 1000-mal verflucht, aber bereut habe ich das Ganze nicht ein einziges Mal.“