Oberhausen. . Patientin kam mit hohem Blutdruck ins Evangelische Krankenhaus Oberhausen. Nach vier Stunden entließ sie sich auf eigene Gefahr - „weil niemand half“.

Marianne Vier lässt sich so leicht nicht ins Bockshorn jagen. 28 Jahre lang hat sie sich als Vorsitzende des Alstadener Bürgerrings – mit über 750 Mitgliedern eine der größten Interessengemeinschaften Oberhausens – für ihren Stadtteil eingesetzt. Doch was sie jetzt nach eigenen Angaben als Notfall in der Ambulanz des Evangelischen Krankenhauses Oberhausen erlebte, machte sie (fast) sprachlos.

Seit Wochen plagte die 75-Jährige bereits ein hoher Blutdruck. „Am Mittwochabend war es besonders schlimm.“ Das Blutdruckgerät zeigte 219/101 und einen Puls von 98. „Meine Tochter rief den Krankenwagen und ich wurde in die Notfallambulanz des EKO gefahren.“ Dort sei nur eine Ärztin im Einsatz gewesen. „Sie engagierte sich sehr, es waren aber einfach bereits zu viele Patienten dort. Also hetzte sie ständig den Gang entlang“, erinnert sich Marianne Vier.

Schwestern sagten: "Ich kann nicht mehr"

Nach ihr seien dann auch noch mindestens acht weitere Patienten in die Ambulanz gekommen. Was Vier erschütterte: „Eine Frau wies viermal darauf hin, dass sie seit 12.30 Uhr in der Ambulanz sei und niemand etwas unternehmen würde.“ Und dann habe da auch noch eine alte Dame mit Nierenversagen auf dem Flur gelegen.

Fast zwei Stunden lang sei sie selbst an ein EKG-Gerät angeschlossen gewesen. „Wir warten auf ihre Blutwerte“, habe die Ärztin auf ihre Nachfrage hin schließlich erklärt. „Dabei hatten die mir noch gar kein Blut abgenommen.“

EKO ließ Fall prüfen

Für das Evangelische Krankenhaus Oberhausen (EKO) bezieht Beatrice Voß Stellung: „Der Fall wurde von unserer Beschwerdemanagerin mit dem Team der Zentralambulanz aufgearbeitet. Dabei zeigte sich, dass die Wahrnehmung von Frau Vier für uns nicht nachvollziehbar ist.“

An dem Tag habe es zwar ein hohes Patientenaufkommen im Evangelischen Krankenhaus Oberhausen gegeben, einen Personalmangel jedoch nicht. „Das ärztliche und pflegerische Personal fühlte sich nicht überlastet.“

Generell sei jedoch bekannt, dass durch die Arbeitsverdichtung im Gesundheitswesen der subjektive Eindruck einer hohen Personalbelastung entstehen könne. „Für unser Haus aber ist eine umfassende Versorgung jedes Patienten sichergestellt“, betont die EKO-Sprecherin. Es habe inzwischen auch ein Gespräch von Beschwerdemanagement und Geschäftsführung mit Marianne Vier gegeben. „Aus unserer Sicht blieben keine Punkte offen.“

Marianne Vier sieht das anders. Sie meint: „Es ist bedauerlich, dass das Personal nicht klar Stellung bezogen hat.“ Damit sei eine Chance vertan worden. „Engpässe können nur beseitigt werden, wenn man den Mut hat, auf sie hinzuweisen, aber bestimmt nicht dadurch, dass alle einfach weitermachen, bis die letzte Mitarbeiterin zusammengebrochen ist.“

Irgendwann sei die junge Ärztin am Ende ihrer Kraft gewesen. Auch die Schwestern hätten gesagt: „Ich kann nicht mehr.“ „Heute ist es nicht zu ertragen.“ „Ich weiß gar nicht mehr, was ich tun soll.“

Knapp vier Stunden nach ihrem Eintreffen in der Ambulanz ließ sich Marianne Vier den Tropf ziehen. „Ich bin dann auf eigene Verantwortung wieder nach Hause gegangen. Der Schock sitzt mir aber noch heute in den Knochen.“

Die Geschäftsführung ist gefragt

Die Oberhausenerin empört sich: „So menschenunwürdig und unversorgt in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden, möchte ich keinem wünschen.“ Dabei macht sie nicht etwa die Ärztin oder die Schwestern für diese Zustände verantwortlich.

„Sondern die EKO-Geschäftsführung, die die Unterbesetzung einer so wichtigen Anlaufstelle offensichtlich in Kauf nimmt.“ Ärztin und Pflegekräfte hätten sehr wohl getan, was ihnen unter diesen Umständen möglich gewesen sei. „Aber wie soll sich eine Medizinerin allein zeitgleich um so viele und teils auch noch so schwerkranke Patienten kümmern? Das ist doch gar nicht möglich!“