Ein Besuch im Theater Oberhausen lohnt sich. „Atmen“, das jetzt im Malersaal Premiere hatte, ist ein geschickt inszeniertes und wunderbar gespieltes Stück. Weitere
Geschickt inszeniert, wunderbar gespielt: „Atmen“, das Stück, in dem der britische Autor Duncan Macmillan fast die ganze Lebens- und Liebesgeschichte eines Paares in Dialogform erzählt, begeisterte bei seiner Premiere im Malersaal. Dem jungen Regisseur Bastian Kabuth gelingt es vortrefflich, das Publikum mit der Beziehung von F. und M. (ganz hervorragend: Laura Angelina Palacios und Moritz Peschke) 90 Minuten lang zu faszinieren. Das Auf und Ab des Lebensflusses wird lebendig, Durchatmen ist dabei nicht angesagt.
Halfpipe als Spielfeld
Obwohl die Akteure fast ununterbrochen reden, gelingen ihnen durch Haltungs- Orts- und Stellungswechsel und Agieren immer wieder Überraschungseffekte. Ohne jegliche Requisiten weiß der Zuschauer doch genau, wo sich die Protagonisten gerade befinden. Kabuth beherrscht die Kunst des Rhythmisierens glänzend. Er versteht es zudem, Pausen als Stilmittel einzubeziehen.
Den Wunsch des Autors, auf ein Bühnenbild zu verzichten, erfüllt Maria Eberhardt und setzt ihm zugleich etwas entgegen: Ganz in Weiß als Bühne auf der Bühne, errichtet sie eine riesige Halfpipe (Halbröhre) als Spielfeld. Ein fürs Gelingen der Inszenierung sehr wichtiger Einfall, weil, diesen geschwungenen Raum zu bespielen, das Atmen als Wellenverlauf des Lebens unterstreicht.
Der Zuschauer lernt F. und M., sie ist Medizinstudentin, er Musiker, als junges Paar kennen, als sie einen möglichen Kinderwunsch thematisieren, an der Kasse und auf dem Parkplatz von Ikea. Aus ihrer Idee, sich die Wohnung etwas aufzuhübschen, wird eine Diskussion über den Sinn des Lebens, ja, die gesamte Menschheitsgeschichte kommt ins Spiel. Schnell wird klar, wie unterschiedlich die beiden sich Liebenden sind und wie schwer es ihnen fällt, in Worte zu fassen, was sie fühlen.
F. wird schwanger, verliert das Kind, F. und M. trennen sich. M. verlobt sich, F. bleibt Single. F. und M. treffen sich zufällig, schlafen miteinander, M. schwängert F.. Die Beiden heiraten, werden Eltern und bleiben es bis ans Lebensende.
Während die Phase vor dem Elternwerden extrem viel Zeit in Anspruch nimmt, wird das weitere Leben des Paares in immer knapper werdenden Dialogen erzählt, die aber völlig reichen, um die Geschichte nachvollziehen zu können. Durch diesen „Trick“ spiegelt das Stück die Tatsache wider, dass Menschen mit dem Älterwerden das Leben so empfinden, als zöge es in zunehmendem Tempo vorüber, als atme es immer schneller.
Eine ergreifende Aufführung, unbedingt empfehlenswert für erwachsene Zuschauer jeden Alters.
„Atem“ ist ein kleines Meisterwerk von Regisseur Kabuth. Die gelungene Bühne (Maria Eberhardt) und tolle Schauspiel-Leistung (Laura Angelina Palacios, Moritz Peschke) tragen dazu bei. Kostüme: Ines Koehler, Dramaturgie: Tilman Raabke.
Vorstellungen (19.30 Uhr): 19.12., 14. Januar, 4., 6., 14., 22. Februar.