Oberhausen. . Denkmalpfleger aus dem gesamten Ruhrgebiet trafen sich zum Austausch in Oberhausen. Das Thema ihrer Fachtagung: 50er-Jahre-Bauten.

Das hört man auch nicht alle Tage: „Ich kannte bis jetzt nur den Gasometer, aber die Innenstadt, die ist ja auch richtig schön; harmonisch und wie aus einem Guss“, sagt Barbara Schmid und blickt auf das Gebäude-Ensemble rund um den Saporoshje-Platz. Lachend ergänzt sie: „Mit Denkmalpfleger-Augen gesehen.“ Die Gelsenkirchenerin war mit rund 50 weiteren Denkmalpflegern aus dem gesamten Ruhrgebiet in Oberhausen unterwegs. Bei der Fachtagung ihres Arbeitskreises ging es hauptsächlich um 50er-Jahre-Bauten – erst theoretisch in Vorträgen und Diskussionen, anschließend anschaulich bei einem Stadtrundgang durch die City.

Gertrud Kersting von der Unteren Denkmalbehörde bei der Stadt Oberhausen führte die Besucher auch zum Friedensplatz, „einem der schönsten Plätze im Ruhrgebiet“, wie sie sagt. „Hier finden wir die Jahresringe unserer Stadt“: Unter der Erde liegen die Reste der Styrumer Hütte, die schon 1901 Pleite machte. Rechts und links lange Backstein-Bauten: Expressionismus der 20er-Jahre. Und im Süden schließen sich mit dem Europa-Haus die 50er-Jahre an.

Würdigung einer Generation

Das Europa-Haus ist bislang das einzige Oberhausener Gebäude aus den 50er-Jahren, das unter Denkmalschutz steht. Es könnten aber mehr sein, findet Gertrud Kersting. Warum? „Soll das, was die Nachkriegsgeneration durch harte Arbeit aufgebaut hat, einfach so verschwinden?“ Was unsere Vor-Vor-Generation geleistet hat, solle vielmehr gewürdigt werden, findet sie. Das Ziel daher: Wege finden, die Architektur eines schützenswerten Gebäudes trotz Sanierung zu erhalten. Um sich bei der Suche nach eben diesen Wegen gegenseitig zu unterstützen, trifft sich besagter Arbeitskreis der Ruhrgebiets-Denkmalpfleger zweimal im Jahr, immer in einer anderen Stadt.

Kriterien-Liste

Ein Gebäude aus den 50er-Jahren steht in Oberhausen bislang auf der Denkmalschutz-Liste: das Europa-Haus am Friedensplatz. Es könnten mehr sein, findet Gertrud Kersting von der Unteren Denkmalbehörde. Doch bevor ein Gebäude offiziell unter Schutz gestellt wird, müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden.

Das Denkmalschutzgesetz schreibt vor, dass der Erhalt des jeweiligen Gebäudes von öffentlichem Interesse sein muss. Dieses Interesse besteht laut Gesetz, wenn das Gebäude „bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen“.

Ist ein Antrag gestellt (auch Privatpersonen können diesen stellen), prüft eine Experten-Kommission, ob die Kriterien tatsächlich erfüllt sind. Ist dies der Fall, muss die Stadt das Gebäude unter Denkmalschutz stellen.

Rund die Hälfte der Oberhausener Bausubstanz stammt aus den 50er-Jahren. Vielen Gebäuden sehe man das aber leider nicht mehr an, sagt Gertrud Kersting. Grund: Häuser aus der Wiederaufbau-Zeit waren kaum wärmeisoliert. Beim nachträglichen Dämmen geht dann leider vieles verloren: Das Filigrane wird klobig, Rundungen werden sperrig. Es muss beides gehen, sagt Kersting: Sanierung und Erhalt. Diese Arbeiten dauerten zwar in der Regel etwas länger, würden aber nicht viel mehr kosten.

Leckere Schokolade

Und die Arbeiten würden lohnen, sagt die Fachfrau, denn die Architektur der 50er-Jahre habe in ihrer ursprünglichen Art viel Schönes: Die Leporello-Fenster des Hans-Böckler-Kollegs zum Beispiel (Baujahr 1959) kamen bei den Denkmalpflegern sehr gut an – neben den lilafarbenen Blechelementen an der Fassade. „Mmh, erinnert an leckere Milka-Schokolade“, kommentierten die Besucher. Weiter geht’s Richtung Innenstadt, vorbei an Pommesbude und Nagelstudio. Marktstraße. Hier lässt sich sehen: Die Städteplaner der 50er haben nicht einfach Kaputtes wieder repariert. Sie haben Straßen verbreitert, Blöcke und einzelne Parzellen zusammengelegt. „Es ging auch damals schon um städtebauliche Qualität“, erklärt Regina Wittmann. Die Grüne Ratsfrau betreut als Architektin das Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst der Technischen Uni in Dortmund. Beim Stadtrundgang der Denkmalpfleger war sie als Expertin dabei.

Vergessene Schmuckstücke

Man kann es sich gar nicht vorstellen, aber die Friedrich-Karl-Straße, heute wenig attraktiv, war in den 50ern die Haupteinkaufsstraße und somit das Herzstück der City. Hier stehen auch die einstigen Schmuckstücke der Straße: die Wohnanlagen der Neuen Heimat, dem damaligen Wohnungsbau-Unternehmen des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Typische Gestaltungsmerkmale: der Laubengang, Aussparungen in den Mauern, asymmetrische Ausrichtung der Doppel-Fenster und der Glasbausteine im Treppenhaus. Gertrud Kersting gerät ins Schwärmen. „Wenn man da etwas ändert, stört das den ästhetischen Gesamteindruck“, sagt sie. Und entlässt mit diesem Appell ihre Denkmalpfleger-Kollegen Richtung Heimat. Wer weiß? Beim nächsten (Privat-)Besuch steht vielleicht nicht nur der Gasometer auf dem Programm.