Es sind nicht nur die großen Persönlichkeiten, die Weltgeschichte schreiben. So ganz im Verborgenen werkeln viele „Kleine” am großen Ganzen mit. Horst Kristan ist so einer. Seit über 30 Jahren ist der 72-Jährige im NABU aktiv.
Und ein kleines bisschen Weltgeschichte schreibt er im wahrsten Sinne des Wortes. „Wenn demnächst ein Atlas für ganz Deutschland erscheint, sind da meine Arbeiten mit drin”, sagt Kristan. Seine Arbeiten, das sind Kartierungen. Akribisch hat Kristan festgehalten, wo welche Vogelart in Oberhausen anzutreffen ist. Für den Hiesfelder Wald hat er das getan und für viele andere Orte wie Schlägerheide oder Rotbach. Der Hobby-Ornithologe hält ein Blatt hoch. „Sehen Sie mal”, sagt er. „10.5.”, steht unten bescheiden klein auf der Seite mit Karte, „5.20 bis 7.30 Uhr” ist weiter zu lesen. Und dann noch „Sonnenaufgang 5.58 Uhr”. „Man muss früh im Wald sein, wenn man Vögel auf der Karte eintragen will”, sagt Kristan. An jenem 10. Mai zog es ihn schon um 5.20 Uhr hinaus. Wie er die Vögel findet? „Ich gehe langsam durch den Wald”, erklärt der Vogelfreund. Und dann lauscht er. Es ist so, dass Kristan die gefiederten Gesellen in der Regel nicht sieht, jedoch hört. Er kennt die Stimmen, die Rufe und Gesänge, von beinahe allen Vögeln, die in dieser Region leben. „Wenn ich einen Vogel höre, dessen Ruf oder Gesang ich nicht kenne, werde ich stutzig”, sagt er. Wie man die Vogelstimmen lernt? Kristan hat noch von einem Ornithologen, den er schon als Jugendlicher begleitete, Schallplatten zu Hause mit den Stimmen der Bewohner der Lüfte. Aber nicht, dass das alles wäre. Kristan kann nicht nur hören, er kann auch mit den Vögeln sprechen. Schon formt er die Hände vor dem Mund und lässt den Ruf des Waldkauzes erschallen. Er ist vielsprachig. Die Waldohreule imitiert er genauso mühelos wie den Kuckuck, der leider rar geworden ist in unseren Breiten. Aber eben darum geht es bei der Kartierungsarbeit auch. Die Entwicklung von Vogelpopulationen über einen langen Zeitraum zu verfolgen, auszuwerten und gegebenenfalls zu reagieren. Zu Kristans Einsätzen gehörte so auch einmal ein Rettungseinsatz für die in Wohnungsnot geratenen Hohltauben. „Über 60 Nistkästen haben wir für die Hohltauben aufgehängt”, erinnert er sich. Die Tauben waren obdachlos geworden, weil es von den Schwarzspechten, die ihnen quasi ihre Quartiere zimmern, nur noch ein einziges Pärchchen in Oberhausen geben soll. Wenn Kristan so erzählt, merkt man, der NABU ist sein Leben. „Ich bin eher der Praktiker”, sagt der 72-Jährige über sich selbst. Wie ideal ist es da für ihn, dass er beim Kopfweidenschnitt helfen, Krötenzäune bauen, Nistästen reinigen oder den Boden für das Gagelkraut, einer Moorpflanze, bereiten kann. Und dann nimmt er natürlich Leute mit raus zu Exkursionen mit so klangvollen Titel wie „Was singt denn da? Vogelstimmen im Frühjahr”. Warum ihn die Natur so fanziniert, warum er am liebsten draußen, früher nach Nachtschichten sogar oft direkt ins Grüne fuhr? „Ich weiß es nicht”, sagt Kristan. Vielleicht wurde ihm seine Begeisterung für Vögel in die Wiege gelegt. „Mein Großvater und mein Vater züchteten Kanarienvögel”, erklärt er. Aber sein Vater der tanzte auch gerne, was Kristans Töchter übrigens auch liebend gern tun. „Aber ich bin lieber in die Natur als zum Tanzen gegangen”, sagt er und zuckt die Schultern.