Oberhausen. Werden Feuerwehr und Rettungsdienst zu Einsätzen in abgelegenen Oberhausener Stadtteilen alarmiert, wird die Acht-Minuten-Hilfsfrist häufig nicht eingehalten. Auch der neue Rettungsplan der Stadt ändert daran laut Insidern nichts an dieser Situation.
Wer in abgelegenen Ortsteilen wie Sterkrade-Nord oder Lirich lebt, muss bei einem lebensbedrohlichen Notfall mit längeren Wartezeiten auf den Rettungsdienst rechnen als im übrigen Stadtgebiet. Normalerweise erreichen die Retter den Hilflosen binnen acht Minuten. In den Randgebieten können es allerdings zehn Minuten sein – zwei Minuten, die bei der Wiederbelebung eines Menschen nach Darstellung von Medizinern entscheidend sein können.
Zumindest 2011 lag etwa die Hälfte der Einsätze in den abgelegenen Ortsteilen außerhalb der Acht-Minuten-Frist. Aufs gesamte Stadtgebiet gerechnet, sieht es nicht so schlimm aus: Die Acht-Minuten-Hilfsfrist 2011 wurde in fast 88 Prozent aller Fälle eingehalten.
Zwei zusätzliche Rettungswagen
Das Manko der schlechteren Rettungsversorgung an den Stadtgrenzen hat das von der Stadt beauftragte Kaarster Planungsbüro Luelf+Rinke 2012 auch erkannt. Die von ihm vorgeschlagene Lösung, die im neuen Rettungsdienstbedarfsplan festgehalten und derzeit in den politischen Gremien diskutiert wird: Je ein Rettungswagen (RTW) auf den beiden Feuer- und Rettungswachen in Sterkrade und Alt-Oberhausen zusätzlich stationieren. Das ist sogar bereits vor Genehmigung durch den Rat umgesetzt – doch nach Angaben örtlicher Fachleute, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, wird dadurch das Problem der schlechteren Versorgung Hilfe bedürftiger Menschen an den Stadtgrenzen nur auf dem Papier gelöst.
Mit je vier statt drei RTW kann künftig zwar sichergestellt werden, dass stadtweit in 90 Prozent der Notfälle die Acht-Minuten-Frist eingehalten ist. Das ist aber nur eine Betrachtung im Durchschnitt fürs gesamte Stadtgebiet: Rund um die beiden Rettungswachen sind die Helfer schneller, bei weit entfernten Einsätzen benötigen sie mehr Zeit. Da kann es sein, dass sie nur in 70 Prozent der Fälle in acht Minuten vor Ort sind.
Genaue Angaben werden nicht gemacht
Genaue Angaben über die Situation der Randgebiete macht die Stadt nicht. Sie beruft sich darauf, der Gutachter habe 2012 mit den beiden Wachen eine bedarfsgerechte Versorgung festgestellt. Eine Aufstockung der Zahl der Wachen ist danach nicht notwendig. Auch Dr. Wilfried Abel, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes, geht davon aus, dass durch die Verbesserungen im Rettungsdienstbedarfsplan die 90-Prozent-Quote nun sogar im Norden der Stadt erreicht wird.
Insider teilen diese Einschätzung nicht: „Die Unterversorgung der Randgebiete ist hier genau der Knackpunkt“, sagt ein Mitarbeiter einer der vier großen Oberhausener Hilfsorganisationen. „In allen Nachbarstädten fahren die Hilfsorganisationen im Rettungsdienst mit, eben um diese Unterversorgung zu verhindern.“ Bisher liegt der Rettungsdienst in Oberhausen ausschließlich bei der Feuerwehr.
Bei Herzstillstand zählt jede Minute
Das zentrale Kriterium für die Leistungsfähigkeit des Rettungsdienstes ist die sogenannte Hilfsfrist. Eine konkrete Zahl ist gesetzlich nicht festgeschrieben. Standard sind heute für kreisfreie Städte wie Oberhausen aber acht Minuten.
Sie setzen sich zusammen aus bis zu zwei Minuten Zeit für die Annahme des Notrufs durch die Leitstelle der Feuerwehr und die Alarmierung der RTW-Mannschaft sowie deren Abfahrt. Danach dürfen noch weitere sechs bis sieben Minuten Zeit für die Anfahrt zum Einsatzort vergehen. Nach dem Rettungsdienstbedarfsplan soll die Hilfsfrist in 90 Prozent der Fälle eingehalten werden.
Chancen der Wiederbelebung
Hintergrund ist, dass Personen im Brandrauch nach spätestens 13 Minuten bewusstlos werden, dann sollte die Wiederbelebung innerhalb der nächsten vier Minuten anfangen. Da die Retter acht Minuten benötigen, um nach der Alarmierung am Einsatzort zu sein, sollte ein Brand in diesem Szenario spätestens neun Minuten nach Ausbruch entdeckt sein und gemeldet werden.
Dramatischer noch steht es um die Chance einer Wiederbelebung bei Herzstillstand. Können nach drei Minuten noch 75 Prozent aller Betroffenen reanimiert werden, sinkt die Chance auf eine erfolgreiche Wiederbelebung in jeder weiteren Minute, die vergeht, für zehn Prozent der Betroffenen. Nach zehn Minuten können nur noch fünf Prozent „wiedergeholt“ werden. Deshalb kommen Sofortmaßnahmen von Laien enorme Bedeutung zu.