Führungen über den Flughafen Essen/Mülheim sind gefragt. Denn sie erlauben einen Blick hinter die sonst aus Sicherheitsgründen verschlossenen Kulissen.
Das Gebäude ist nicht viel größer als ein Bürokomplex. Auf den gläsernen Doppeltüren am Eingang steht Ankunft (Arrival) auf der einen, und Abflug (Departure) auf der anderen Seite. Und damit jeder weiß, wo er ist, verrät das blaue Euro-Schild: Bundesrepublik Deutschland. Genauer: Wir sind auf dem Flughafen Essen-Mülheim. Und der gestaltet sich kommod.
Vor dem Eingang parkt ein silberner A8 mit Fahrer. Wenig später ist der Mann auf dem Flug-Vorfeld zu sehen, wo er den „Chef” samt Gepäck direkt von der Maschine in das Auto packt. In der Abflughalle, eher ein Hällchen, ist bei der Abfertigung, dem Check-in, am Samstagnachmittag niemand. Was für gemütliche Zustände, wenn man an die laute Hektik auf den großen Flughäfen denkt. Ruhe. Mal abgesehen von den wenigen Starts und Landungen am diesem lauen Samstagnachmittag.
Einige Gäste sitzen im Restaurant gleich nebenan oder schon draußen auf der Terrasse, beobachten die Cessnas, Pipers und anderen Propellermaschinen, die an die kleine Tankstelle fahren oder einfach nur auf eine andere Position rollen. Im Gegensatz zu Düsseldorf ticken die Uhren langsamer und längst nicht so laut. Es ist eine Stimmung, fein ausbalanciert zwischen gedrosselter Betriebsamkeit und friedlicher Idylle mit der Natur als Kulisse. Der Duft der großen weiten Welt im Kleinen.
Apropos Betriebsamkeit: Mehr Menschen als erwartet stehen vor dem Tor. Es ist an diesem Samstag schon die zweite Gruppe, die Heinz Schlosser und sein Kollege übers Flughafengelände führen. Klaus Linke ist mit dem Fotoapparat startklar. „Ich kenne den Flughafen schon sehr lange und mich interessiert, wie er sich verändert hat.” Aus Kettwig sind zwei Damen gekommen. „Einfach mal so aus reiner Neugier.” Wie fast alle, die von der Faszination Fliegen gepackt sind.
Man weiß, dass der Airport umstritten ist, dass es Gegner und Befürworter gibt. „Aber warum soll man das nicht im kleinen Rahmen machen”, fragt die Frau aus Kettwig. Mit Sohn Felix (5) und Töchterchen Paula (auch fünf, aber Monate) im Tragetuch wollen Thorsten und Elke Deichmann sehen, wie alles funktioniert. Thorsten Deichmann findet die Führungen gut. Ein Angebot, „das es leider zu wenig gibt. Der Flughafen hätte viel größere Bedeutung, wenn man mehr über ihn wüsste”.
Genau das wollen Heinz Schlosser und seine Kollegen von der Arbeitsgemeinschaft Flughafen und Ökologie Essen-Mülheim mit ihren Führungen erreichen. Dabei macht Schlosser seine Position unmissverständlich deutlich: pro Flughafen. Ökologie und Flugverkehr - geht das zusammen? „Ja sicher”, sagt Schlosser. „Weil die Fläche nicht bebaut werden darf, bleibt den Städten Mülheim und Essen eine Kaltluftschneise erhalten.” Und die Tier- und Pflanzenwelt könne sich auch frei entfalten.
Schlosser und sein Kollege führen übers Gelände, zeigen Fahrzeuge und Gerätschaften, die ein Airport so braucht. Danach gibt's eine Rundtour und einen Abstecher in die Flugzeughalle und in den Tower. So erfahren die Besucher, dass es nicht nur eine Feuerwehr gibt, sondern dass das Bodenpersonal ausgebildete Feuerwehrleute und Handwerker sind. Was auch wenig bekannt, aber ein wichtiger Punkt sei, so Schlosser: „Wir sind Ambulanzflughafen.” Er erzählt von schnellen Organanlieferungen und Herzinfarktpatienten. Beantwortet Fragen und erläutert, dass der Flughafen von den Städten Mülheim und Essen sowie vom Land NRW betrieben wird, und im letzten Jahr einen Zuschussbedarf von 600 000 € hatte, denen aber rund 2,5 Mio Euro allein an Gewerbesteuern gegenübergestanden hätten.
Die Besucher sehen u.a. ein Ungetüm mit Stahlbürsten zum Rollfeld freiräumen, den neuen Follow-me-Wagen oder erfahren die vier Möglichkeiten, wie man eine Vereisung eines Flugzeugs verhindern kann, und dass der Airport viel von Geschäftsleuten aus der ganzen Region genutzt wird. Geschäftsreiseverkehr wie jetzt auch wieder zur Techno-Classica-Messe in Essen. „Wir hatten in den letzten Tagen einen enormen Flugbetrieb.”
In den Nobeljet, die „Citation CJ3”, weiß und mit silbern beheizbaren Tragflächen passen zehn Passagiere und zwei Piloten. Auch dieses fast neue Geschäftsdüsenflugzeug, das neben Hubschraubern in der Flugzeughalle steht, kann gechartert werden. Bis 14 Tonnen Gewicht dürfen Flugzeuge in Mülheim starten und landen. Auf Wunsch „durch ganz Europa fliegen”. Da gleiten die Segelflieger geräuschlos über den politischen Turbulenzen in aufgeladener Atmosphäre.