In den 80'er Jahren erkrankte Kurt Todt an Mutiple Sklerose und wurde zum Pflegefall. Für seine Familie stellte sich allerdings nie die Frage, ihn ins Heim zu geben. Sie kümmerte sich um ihn. Zuhause.

Liebe – das Wort mag banal klingen, doch für Marga Todt war es der Grund ihres ganzen Handels. Aus Liebe hat sie über 20 Jahre lang ihren Mann gepflegt - zuhause. „Das war selbstverständlich. Er hätte das auch für mich getan”, sagt die Mülheimerin bescheiden.

1983 kam der Schock. Da diagnostizierten die Ärzte bei Kurt Todt Multiple Sklerose. Die Nervenkrankheit kam nicht in Schüben, sondern verlief schleichend. „Gehend haben ihn die Kinder nicht mehr in Erinnerung”, erzählt Schwiegertochter Karin Todt, die mit Mann und Kindern die obere Etage des Zwei-Generationen-Hauses bewohnt. Größtenteils im Rollstuhl habe er gesessen, zuletzt immer mehr Hilfe gebraucht. Allein gelassen mit ihren Sorgen und Nöten wurde die immerhin 87-Jährige bei der Pflege ihres Mannes nie, erfuhr große Unterstützung von ihrer Familie. Ihr Sohn und Karin Todts Mann Wilfried ist Arzt, der 26-jährige Enkel Benjamin und seine jüngeren Geschwister Rebecca (25) und Jonathan (20) sind zudem in der Krankenpflege tätig. Sie brachten das nötige Know-How, vor allem aber die Kraft für die Pflege mit. „Der Vater wurde mir manchmal einfach zu schwer. Doch ein Anruf bei Benjamin genügte und er stand hier, hat ihn aus dem Bett gehoben”, erinnert sich Marga Todt, die neben ihrem Mann früher bereits ihre Mutter gepflegt hat.

Einen Pflegekurs habe sie nie besucht, keine weitere Unterstützung von der Krankenkasse erhalten. Sie und ihr Mann waren ein eingespieltes Team, gingen harmonisch mit einander um, brachten sich gegenseitige Achtung entgegen: „Ich habe ihn immer am Gürtel festgehalten und hochgezogen.” Nie habe er sich beklagt, sich selbst nie in den Vordergrund gestellt, auch dann nicht, wenn die 87-Jährige manchmal raus musste. Sie habe das gebraucht, ihre Seniorennachmittage oder auch ihre Reisen. Einfach mal raus. „Da haben wir manchmal gesagt: Mensch, die Mutter ist schon wieder unterwegs”, lacht ihre Schwiegertochter. Wenn sie ihren Mann nicht in guten Händen gewusst hätte, dann hätte sie das auch nicht gekonnt, fügt die Seniorin ergänzend hinzu.

Ins Heim? Das stand nie zur Debatte. Das Personal habe für den Einzelnen zu wenig Zeit, das Menschliche würde dort verloren gehen. Solange es eben ging, wollte man den Vater allein und vor allem zuhause pflegen. „Wenn er etwas brauchte und die Mutter nicht da war, dann hat er gegongt. Dann ist jemand von uns runter und hat ihm geholfen”, schildert Karin Todt.

Seit knapp drei Monaten ertönt im Haus der Familie kein Gong mehr. Kurt Todt starb am 24. Dezember 2008, an Heiligabend. Zuhause. Der Blick von Marga Todt geht in die Ferne, sie wirkt gefasst und traurig zugleich. „Auf einmal muss man sehr viel Zeit ausfüllen, der Vater sitzt nicht mehr wie sonst still im Sessel und hört zu”, fällt ihr das Reden schwer. Ihre behinderte Enkelin Deborah käme immer noch jeden Morgen zu ihr nach unten, will dem Großvater „Guten Morgen” sagen.

Weihnachten habe man trotzdem gefeiert, gelacht und geweint gleichzeitig, aber vor allem genügend Zeit gehabt sich von Vater und Großvater zu verabschieden. Bis zum letzten Moment sei ihr Mann bei klarem Verstand gewesen, habe jeden mit Namen angeredet. Das sei eine große Hilfe gewesen und habe ihr viel bedeutet, sagt Marga Todt im Nachhinein

Pflege sei nur dann in der Familie möglich, ergänzt ihre Schwiegertochter, wenn die Harmonie untereinander stimmt, Ehrlichkeit und Vertrauen da ist. Und Liebe.