Mülheim. 299 Stellen stehen auf der Siemens-Streichliste für den Standort Mülheim. Der Konzern gab diese Zahl am Montag auf einer Mitarbeiterversammlung bekannt. Die Niederdruckschaufel-Produktion soll ganz nach Ungarn verlagert werden. Mitarbeiter sind in Sorge, dass der angekündigte Stellenabbau erst der Anfang sein könnte.

Jetzt ist es raus: Siemens will am Standort Mülheim 299 von rund 4800 Stellen streichen: 60 Arbeitsplätze sind im Bereich Dampfturbine gefährdet, 75 beim Generatorbau, 64 im Service. Die Niederdruckschaufel-Produktion will der Konzern komplett abziehen und in Budapest konzentrieren.

Rund um die RWE-Sporthalle brach am frühen Montagnachmittag ein Verkehrschaos aus. So viele Parkplätze konnten gar nicht frei sein, dass sie gereicht hätten für den Ansturm auf die kurzfristig von der Konzernleitung einberufene Mitarbeiterversammlung. Um 13.49 Uhr mussten die Eingangstüren ob der Menschenmengen zwischenzeitlich geschlossen werden. Siemens hatte offenbar nicht mit über 2000 anströmenden Mitarbeitern gerechnet. Kurzfristig gab die Hallenleitung Sitz- und Stehplätze hinter der Rednerbühne frei.

Nach gut eineinhalb Stunden strömte die Menge wieder raus, viele Mitarbeiter sprachlos. „Ich muss das erst mal verdauen“, war zu hören. Kaum jemand mochte sich äußern, schon gar nicht namentlich. Anscheinend entfachte es Wirkung, dass Ende vergangener Woche gar der sonst wenig verlegene Betriebsratsvorsitzende jegliche Stellungnahme zu dem geplanten Stellenabbau vermieden hatte.

Gedrückte Stimmung

Die wenigen, die berichteten, waren enttäuscht und in Sorge, dass der angekündigte Stellenabbau erst der Anfang sein könnte. Mit Zahlenreihe an Zahlenreihe habe die Arbeitgeberseite die Notwendigkeit zum Stellenabbau versucht zu untermauern, bis endlich konkrete Zahlen genannt worden seien zum Jobabbau in Mülheim.

Verhandlungen zu Interessenausgleich stehen an

Ein Siemens-Sprecher wollte die Zahlen zum geplanten Stellenabbau weder bestätigen noch dementieren. Es würden nun Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite aufgenommen.

Auf betriebsbedingte Kündigungen will Siemens dem Vernehmen nach verzichten. Zu verhandeln ist demnach ein Interessenausgleich. Ein Zeitplan dafür ist nicht bekannt.

Betriebsratsvorsitzender Pietro Bazzoli, der auch am Montag öffentlich keine Stellung nehmen wollte, soll vor versammelter Mannschaft die ablehnende Haltung des Betriebsrates deutlich gemacht haben. Laut Mitarbeitern kritisierte er, dass Siemens weiter keine Strategie habe, wie Arbeitsplätze in Deutschland gesichert werden können. Etwa dadurch, dass schwächelnde Standorte wie Mülheim die Chance eingeräumt bekämen, sich auf Wachstumsfeldern von Siemens zu entwickeln. Bazzoli soll auch die Glaubwürdigkeit die Firmenleitung in Frage gestellt haben. Noch bei einer Betriebsversammlung im September sei von Stellenabbau keine Rede gewesen. Wie könne sich dies binnen eines Monats drehen?

Mitarbeiter glaubt: „Es wird nicht bei den 299 Stellen bleiben“

„Mir schwillt der Hals bei dem, was gerade verkündet worden ist“, sagte ein Mitarbeiter nach der Veranstaltung. „Es wird nicht bei den 299 Stellen bleiben“, mutmaßte ein anderer mit Blick auf den schwierigen Absatzmarkt für die Kraftwerkstechnik. Warum muss es so kommen?, fragt sich ein junger Siemensianer. „Bis 2030 braucht die Menschheit ein Drittel mehr Energie. Wenn wir da keinen Fuß fassen können, machen die da oben im Management was verkehrt.“