„Guten Tag, ich bin von der Kriminalpolizei Berlin“, so oder ähnlich beginnen Verbrecher derzeit ihre Telefonate mit Senioren und wollen nur eines: Das Geld alter Menschen. Dabei gehen die Täter gnadenlos und perfide vor, berichten von Gerichtsverfahren gegen die Senioren und dass Betrüger es auf sie abgesehen haben. Das Opfer bekommt Angst und gleichzeitig ein Angebot: Es kann sich für horrende Summen freikaufen.
Die Spuren der Betrüger-Bande führen in die Türkei. In Essen, so berichtet die Polizei auch mit Sorge für Mülheim, wurden bislang vier Fälle angezeigt. Ein 89-Jähriger wurde misstrauisch und schaltete die echte Polizei ein. Eine 78-Jährige überwies den Tätern aber Geld, berichtet Kriminalhauptkommissar Carsten Bäcker, zuständig für organisierte Kriminalität.
Opfer offenbar von CD ausgewählt
Die Täter suchen ihre Opfer offenbar auf Telefon-CDs, die sie wiederum anderen Verbrechern abgekauft haben. Sie nutzen die Daten von Menschen, die vor einigen Jahren bereits Opfer bei falschen Gewinnspielen wurden. Diesen werfen sie jetzt vor, sich an illegalen Gewinnspielen beteiligt zu haben. Genau das soll der Grund für das aktuelle Gerichtsverfahren sein.
Beim ersten Telefonat ist die „Polizistin“ oder der „Staatsanwalt“ freundlich. Macht der Senior dann aber kein Geld locker, klingelt es wenig später wieder. Nur ist dieses Mal der angekündigte böse Betrüger dran und droht: „Ich schlag dir den Kopf ab“ oder „Ich schneide dir die Kehle durch.“ Welch ein Glück, müssen die völlig verängstigten Senioren denken, dass sie die Nummer der hilfsbereiten Polizistin haben: Statt Hilfe erfahren sie nun von dieser die Summe zum Freikaufen samt Kontonummer.
Bundesweit gibt es bislang 20 Fälle und 30 Anbahnungen mit der gleichen oder fast identischen Rückrufnummer. Drei Nummern zu Täterhandys sind der Polizei bekannt. Gesamtschaden: 200 000 Euro. Es geht um Bedrohung, Erpressung und Nötigung. Ab Montag wollen die Essener Ermittler sich bundesweit mit den Kollegen austauschen. Die Folge werden wohl Hunderte weitere Fälle sein, fürchtet Bäcker, der Schaden könnte in Millionenhöhe steigen.
Die bisherigen Opfer haben der Polizei die Stimmen der Anrufer beschrieben. Diese sprechen fehlerfrei Deutsch, manchmal mit Berliner Akzent, so Bäcker: „Die Rückrufnummer ist existent, die angegebene Person und Adresse nicht.“ Fest steht: Es sind deutsche Nummern und Prepaid-Karten, die Anrufe aber landen im türkischen Call-Center. Überweisungen und Geldpakete, die einige Opfer verschickt haben, gehen nach Izmir. „Das Callcenter zu lokalisieren ist aber unmöglich“, sagt Bäcker. Die Polizei stößt an ihre Grenzen, weil die Türkei mit den deutschen Ermittlern nicht kooperiere. Die Strafverfolgung endet dort in einer Sackgasse.
Ein Senior kam indes ins Krankenhaus, weil ihn der Anruf so mitgenommen hat. Andere Opfer haben sich hoffnungslos überschuldet, weil sie ihr Leben retten wollten. Sie sind oftmals einsame, gutgläubige, manchmal kranke oder demente Menschen, deren Tragödie groß ist. Sie verlieren nicht nur Geld, so Polizeisprecherin Tanja Horn: „Ihr Vertrauen wird zerstört und ihr selbstbestimmtes Leben zerbricht, weil sie nicht mehr allein zu Hause leben können.“