Die neue Chefin der Siemens-Energiesparte, Lisa Davis, hat mit einem Interview große Unruhe auch am Mülheim ausgelöst. Gegenüber der Börsen-Zeitung hat sie die Zukunft ganzer Fabrik-Standorte in Europa in Frage gestellt. Siemens-Betriebsrat Pietro Bazzoli wollte auf Anfrage dieser Zeitung nicht ausschließen, dass Davis auch den Standort Mülheim mit seinen 4800 Mitarbeitern auf den Prüfstand gehievt hat.

In der Börsen-Zeitung hatte Bereichsvorstand Davis vor einer anhaltenden Flaute im Kraftwerksgeschäft gesprochen. Herausforderungen gebe es insbesondere auf dem europäischen Markt, wo die Nachfrage zurzeit gering sei. Die gesamte Branche sei hier nicht ausgelastet. So wolle Siemens in Amerika, insbesondere in den USA wachsen. Dort erwartet Davis in den kommenden Jahren eine erheblich höhere Dynamik und damit bessere Geschäftsaussichten als in Europa.

„Die Kolleginnen und Kollegen am Standort Mülheim sind tief verunsichert“, sagte nun Bazzoli. Er zeigte sich „erstaunt“ darüber, dass Davis eine solche Nachricht über die Presse kundgetan hat. „Ich vermisse zunächst eine interne Kommunikation. Ich wünsche mir, dass unser Vorstand dies nachholt und zukünftig anders gestaltet.“ Mit dieser Verunsicherung werde Davis den motivierten, innovativen und erfolgsorientierten Beschäftigten nicht gerecht. Bazzoli hat Davis in einem Brief den Unmut der Belegschaft übermittelt, wartet aber noch auf Antwort.

Bazzoli bestätigte fortlaufende Auslastungsprobleme am Standort Mülheim, wo Dampfturbinen und Generatoren größerer Volumina für den Kraftwerksbau gefertigt werden. Wegen der politisch ungeklärten Fragen, welche Rolle konventionelle Kraftwerke in Zukunft spielen sollen, schwächele der Markt. Momentan wird im Siemens-Werk an der Rheinstraße die Unterauslastung durch den Abbau angesammelter Überstunden kompensiert.

Bazzoli vermisst weiter „eine schlüssige Deutschland-Strategie“ von Siemens. Ein Siemens-Sprecher wollte gestern keine Fragen beantworten, „die über das hinausgehen, was Frau Lisa Davis in ihrem Interview mit der Börsen-Zeitung gesagt hat“. Grundsätzlich gelte bei Siemens, dass man mögliche Auswirkungen für einzelne Standorte zunächst mit den Arbeitnehmervertretern bespreche.