Am ersten Tag bekamen sie ihre chinesischen Namen. Bei Kim war das ein bisschen leichter, bei Svenja und Ariane etwas schwieriger. Doch ganz gleich, welche Fremdsprache, Lektion Eins ist immer gleich: Man lernt die richtig Kontaktaufnahme mit den Einheimischen. Danach können die Themen variieren.

Haiyan Li entschied sich da fürs Lebenspraktische und für eine Einführung in die Speisekarten der lokalen China-Restaurants. Immerhin hatte sie nur vier Tage Zeit, um neun Jugendlichen ihre Muttersprache beizubringen. Oder vielmehr: um ihnen ihre Heimat nahezubringen. Die Kursleiterin unterrichtet im Rahmen der „Jungen VHS” in den Sommerferien „Chinesisch für Anfänger” und lehrt dabei „China für Jedermann”.

Chinesisch schreibt man nicht, Chinesisch wird gezeichnet – mit Pinsel und Wasserfarbe. Über ihre Blätter gebeugt sitzen die Jugendlichen im Kursraum in der Heinrich-Thöne-Volkshochschule und versuchen, überhaupt erst einmal den Stift richtig zu halten. „Das ist total ungewohnt”, sagt die 15-jährige Kim Gärtner und hebt die Hand, um zu zeigen, wie der Pinsel richtig liegt – zwischen Mittel- und Ringfinger nämlich. „Das muss man üben.” Doch das geht nicht nur den Mülheimer Schülern so, erklärt Kursleiterin Haiyan Li, und erzählt von der Ausbildung zum Kalligraphen in China, die Jahre dauert: „Immer und immer wieder zeichnen sie die Buchstaben über Vorlagen, bis sie perfekt sind.”

Man fängt immer oben links an

Soweit sind die sieben Mädels und die zwei Jungs noch nicht. Ariane kämpft gerade damit, ihr persönliches Namens-Zeichen hinzubekommen – schon wieder hat sie den kleinen Strich in der Mitte vergessen. „Das ist aber nicht so einfach”, beruhigt Frau Li. Findet auch Svenja Baumann. Die 14-Jährige weiß: „Die Reihenfolge, in der man die Striche für ein Zeichen malt, ist total wichtig. Man fängt immer oben links an.”

Dabei ist das Schreiben der fremden Zeichen noch nicht mal das größte Problem beim Chinesischen. Sprechen ist noch schwieriger, weiß Kathrin Rüb: „Die Betonung ist wichtig. Betont man ein Wort anders, bekommt es eine andere Bedeutung.” Aber, fügt Kim an: „Dafür ist die Grammatik leicht, Verben werden zum Beispiel gar nicht konjugiert. In China sagt man einfach: ,Ich gehen'.” Nicht, dass die Jugendlichen das nun übersetzen könnten, aber sie wissen um die Grundlagen. Und eben das ist Haiyan Li wichtig: „Es geht nicht darum, ein bestimmtes Sprachniveau zu erreichen – das schafft man in vier Tagen nicht.” Das Fremde will sie nehmen, unterrichten, ohne „zu trocken” zu sein.

Zahlen von eins bis eine Million

Deshalb geht sie auf Wünsche ihrer Schüler ein, schreibt das Zeichen für „Liebe” an die Tafel, hilft Svenja bei einer Geburtstagskarte für eine Freundin oder sucht für Jungen geballte Infos über Shaolin-Mönche und Kung Fu heraus. Hausaufgaben gibt's trotzdem: „Aber nur wenige. Wir sind ja nicht in China, wo die Kinder jeden Tag zwei bis drei Stunden Hausaufgaben machen.”

Zum Glück, so die Schüler. Für sie haben sich die vier Tage Unterricht in den Ferien gelohnt. „Wir haben total viel gelernt”, sagt Katharina Bruchhaus (12). „Ich kann die Zahlen von eins bis einer Million auf Chinesisch.” Wer weiß, wofür man die mal braucht.