„Viele Menschen unterschätzen die Influenza-Grippe. Sie halten sie für eine harmlose Grippe und vergessen, dass es sich um eine Infektionskrankheit handelt, die zumindest potenziell tödlich verlaufen kann“, sagt Linda Bruns. Die 50-jährige Ärztin, die bisher in der Ambulanz des Evangelischen Krankenhauses gearbeitet hat, ist seit wenigen Tagen als Nachfolgerin von Dieter Weber als Abteilungsleiterin beim Gesundheitsamt für den Infektionsschutz zuständig.

Sie verweist auf die Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes. Das Berliner Institut, das im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums Infektionskrankheiten erforscht und bekämpft, rät vor allem Menschen über 60, Schwangeren, chronisch Kranken und exponierten Menschen, die durch ihre Arbeit mit vielen Menschen zusammenkommen, zu einer Grippeschutzimpfung.

„Das macht Sinn, weil gerade chronisch kranke und ältere Menschen eine schwächere Immunabwehr haben, und sich deshalb im Ernstfall viel schwerer damit tun, die durch Grippeviren verursachte Influenza abzuwehren“, betont Uwe Brock. Der in Stadtmitte praktizierende Hausarzt und Internist ist Vorsitzender der Mülheimer Ärztekammer.

Er hat im September nicht nur rund 100 Patienten, sondern auch sich selbst per Spritze in den Oberarm eine Grippeschutzimpfung verabreicht, um besser geschützt zu sein. Auch das Evangelische Krankenhaus hat seine Mitarbeiter vor wenigen Tagen zur Grippeschutzimpfung aufgerufen. „Das ist sinnvoll, weil Pfleger und Ärzte mit vielen Patienten zusammenkommen, und deshalb ein erhöhtes Ansteckungsrisiko haben. Es funktioniert aber nur auf der Basis der Freiwilligkeit. Denn wir können unsere Beschäftigten als Arbeitgeber nicht zur Impfung verpflichten“, sagt Klinik-Sprecher Stefan Mattes. In der letzten Grippesaison ließen sich rund 20 Prozent der Krankenhaus-Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz impfen. Auch wenn Brock und das Evangelische Krankenhaus in der letzten Grippesaison keine Influenzawelle erlebt haben und das Gesundheitsamt keine lokalen Erkrankungszahlen nennen kann, spricht das Robert-Koch-Institut mit Blick auf den Zeitraum seit dem Herbst 2013 von 6405 Influenzafällen, die bundesweit klinisch und labordiagnostisch bestätigt worden sind. In der Grippesaison 2011/2012 hatte man dort bundesweit 2,1 Millionen influenzabedingte Arztbesuche registriert.

Auch wenn der letzte Winter in Sachen Influenza eher ruhig war, kann das aus Brocks Sicht im kommenden Winter schon wieder ganz anders aussehen. „Risiko-Patienten sollten sich spätestens bis Mitte Dezember impfen lassen, weil sich die Influenza-Viren bei uns vor allem in den Monaten Januar, Februar und März verbreiten, wenn das Thermometer unter sechs Grad fällt und die Schleimhäute deshalb besonders anfällig für die Influenza-Viren sind.“

Minimale Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen und Risiken einer Grippeschutzimpfung hält Brock für äußerst gering. „Manchmal kommt es an der Einstichstelle zu einer leichten Schwellung und Rötung der Haut oder auch schon mal zu Juckreiz“, erklärt der Hausarzt, der in seiner Praxis noch keinen Patienten medikamentös behandeln musste, weil dieser auf eine Grippeschutzimpfung allergisch reagiert hätte. Allerdings rät er Patienten, die eine Eiweißallergie haben von einer Grippeschutzimpfung ab, weil die als Impfstoff verwendeten toten Virenstämme auf Hühnereiweis gezüchtet werden und deshalb Eiweißspuren enthalten können. Menschen, die eine Erkältung haben, sollten die Grippeschutzimpfung zumindest solange verschieben, bis sie ihre Erkrankung überwunden haben. „Wenn sich Patienten versehentlich in der Inkubationszeit einer Erkältung impfen lassen, weil sie noch keine Symptome spüren, kann das schon mal dazu führen, dass sie sich nach der Impfung besonders schlapp fühlen und eine leicht erhöhte Körpertemperatur bekommen“, weiß der Mediziner zu berichten.