Mülheim. . Der Berliner Theaterregisseur René Pollesch inszeniert „House for sale“: Das Stück ist eine Reise von einem Zeitgeist zum anderen. Philosophische Fragen werden wortgewaltig präsentiert. Ihre Beantwortung bleibt am Ende meist dem Zuschauer überlassen.
Achtung, auf der Bühne wird wild geschossen. Das kann eigentlich nur eines bedeuten: Theaterregisseur René Pollesch ist wieder in der Stadt. Zur Premiere von „House for sale“ am Donnerstag im übervollen Ringlokschuppen hatte der Berliner sein wortreiches Maschinengewehr diesmal auf die Liebe angelegt, auf die Religion, den Zeitgeist.
„Die Liebe soll man plötzlich glauben? Nein! Man ist nur durch Distanz in der Welt. Das ist Materialismus.“ Für schweres philosophisches Geschütz in vergnüglich actionreicher Pop-Verpackung kennt man Polleschs Diskurstheater: Diesmal ist aus der Bühne ein verwunschener Blätterwald mit weißem Haus geworden, das wie ein übermütiger Autoscooter herumkreiselt.
Von Zeitgeist zu Zeitgeist
Auch die obligatorische Alte samt hexenhafter Schwestern mit Platzpatronengewehren fehlen nicht. Trotz märchenhafter Anleihen wird hier keine Geschichte erzählt, vielmehr kommt man blitzartig von einem Zeitgeist zum anderen: Was richten Karikaturen und Konzerte schon gegen Springerstiefel und Baseballschläger aus? Warum hängen heutzutage die Alten wie Vampire an den Jungen? Wieso meinen wir, dass Amazonasindianer keine kritische Distanz zu ihrer Religion haben – wir hingegen schon? Die kopfzermürbenden Themen ballern Bärbel Bolle, Christine Groß und Mira Partecke nur so raus. Allen voran eine entfesselte Sophie Rois, die so herrlich wütet und singt und säuselt, dass man das wortreiche Sperrfeuer auch mal zur Nebensache erklären kann. Erst recht manchen Texthänger.
Antworten auf die Fragen gibt’s vielleicht nicht, dafür aber großartige Songs wie „I’m through with love“ gesungen von der Rois. Faustkämpfende Frauen zu „Handle me with care“ und zum – etwas kitschigen – Schluss ein versöhnliches „What’s so funny ‘bout love, peace and understanding“ machen klar, dass längst nicht jede schwere Kost, die Pollesch hier serviert, so bierernst gemeint ist. Wo ist da der Sinn, der Überbau?, mag man fragen, aber sind Material und Handlungen nicht auch genug?