Mülheim. . Mülheims Stadtkämmerer Uwe Bonan stellt den hiesigen Qualitätsstandard bei der Ganztagsbetreuung an Schulen infrage. Der Grund: Die Stadt zahlt das Sechsfache dessen, was andere Kommunen für den Offenen Ganztag ausgeben. Und hat dafür eigentlich gar kein Geld.
Was kann sich die Stadt noch leisten? Etwa bei der Offenen Ganztagsschule. Kaum eine andere Stadt zahlt so viel für die Betreuung der Kinder im Jahr wie Mülheim: rund fünf Millionen Euro. Damit liegt Mülheim, so Kämmerer Uwe Bonan, weit über dem Standard, nämlich exakt um 4,13 Millionen Euro. Der Kämmerer zählt diese Belastungen auch auf, wenn gefragt wird: Warum steht Mülheim finanziell so schlecht da und muss erneut ein Defizit von 77 Millionen im Jahr beklagen?
90 Gruppen für die offene Ganztagsbetreuung an Grundschulen bietet die Stadt an, 2120 Kinder suchen diese Gruppen auf. Stadtweit sind das rund 38 Prozent aller Grundschüler. Der Bedarf stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich. Eltern zahlen für die Offene Ganztagsschule, je nach Einkommen, monatlich zwischen 15 und 150 Euro. Vom Land bekommt die Stadt für die laufenden Kosten 935 Euro pro Kind und Jahr. Als Eigenanteil sollen die Städte 410 Euro für jeden Schüler tragen, das wäre der Standard. Die Stadt Mülheim legt aber als Eigenanteil 2400 Euro pro Schüler drauf – das Sechsfache.
Bonan: „Diese Belastungen sind nicht gedeckt, wir finanzieren es über Kredite“
„Diese Belastungen sind nicht gedeckt, wir finanzieren es über Kredite“, gibt der Kämmerer zu bedenken und legt der Politik Vergleichszahlen aus anderen Städte vor: Danach beträgt der Eigenanteil in Düsseldorf 1100 Euro, in Köln 600 Euro, in Essen 520 Euro, in Oberhausen 500 Euro, und in Duisburg schafft man es gar ohne städtischen Eigenanteil.
Politik sieht Handlungsbedarf
Für den bildungspolitischen Sprecher der CDU, Heiko Hendriks, ist „Querdenken“ angesagt, etwa darüber, ob jede Kraft in der OGS die gleiche Qualifikation besitzen und gleich bezahlt werden muss. Oder: Lassen sich an Schulen mit drei, vier OGS-Gruppen Synergien erzielen, so dass man mit weniger Personal auskommt? Zu welchen Zeiten am Tag sind wie viele Kräfte erforderlich? Reicht zu manchen Zeiten ein reduzierter Personalschlüssel? „Wir müssen wesentlich differenzierter auf den Bedarf reagieren“, so Hendriks. Er denkt an eine Landesinitiative: „OGS ist Teil von Schule, das Land zahlt dafür aber nicht ausreichend.“
Die SPD will den Personalschlüssel nicht antasten, legt hohen Wert auf die erreichte pädagogische Qualität. „Wir wollen allerdings die Angebote in anderen Städten mal genauer betrachten. Vielleicht können wir daraus Honig saugen“, sagt der bildungspolitische Sprecher, Constantin Körner. Er könnte sich auch vorstellen, wie die CDU, dass innerhalb der OGS Synergieeffekte erzielt werden können. „Wir stehen noch am Anfang der Haushaltsberatungen.“
Warum ist in Mülheim die Betreuung so viel teurer? Die Stadt setzt in den Gruppen deutlich mehr Personal ein als andere. „Für die jeweils erste Gruppe haben wir zwei, ab der zweiten Gruppe je anderthalb Erzieherstellen zur Verfügung gestellt. Andere Städte bewältigen den Nachmittag mit einer halben Stelle“, sagte der Leiter des Amtes für Schule, Uwe Alex im Frühjahr. Landesweit ist Mülheim damit führend. Die Stadt investiert in Qualität, wovon sie sich langfristig für die Kinder viel verspricht.
Die Qualität war politisch querbeet gewünscht. Angesichts der Zahlen sagt Bildungsdezernent Ulrich Ernst: „Wir müssen uns jetzt fragen: Was macht ein gute Ganztagsbetreuung aus? Und wie lässt sich das erreichen.“ Ernst verweist auf Studien, die es dazu inzwischen gibt. Für den Dezernenten stellt sich aber auch die Frage: Wie kann bei einer weiteren Nachfrage der Bedarf gedeckt werden und mit welchem Standard? Zuletzt gelang dies der Stadt erfolgreich mit Umschichten zwischen den einzelnen Schulen – aber viel Spielraum gibt es nicht.