Wenn eine Fee zum Tag der offenen Tür käme, mit dem das zum Evangelischen Krankenhaus gehörende Wohnstift Uhlenhorst am morgigen Sonntag (28. September) von 10 bis 17.30 Uhr seinen 20. Geburtstag feiern wird, wüssten Einrichtungsleiterin Schwester Gudrun Gross und Altenpflegerin Claudia Neumann sofort, welchen Wunsch sie ihnen erfüllen sollte. „Mehr Personal und mehr gesellschaftliche Anerkennung für die Altenpflege.“ Als sie vor 20 Jahren ihren Dienst im neuen Altenheim am Broicher Waldweg antraten, galten ein Drittel der 105 Bewohner als schwerstpflegebedürftig. Heute sind es mehr als 50 Prozent.
Angesichts von 41 Pflegekräften sieht auch Pflegedienstleiter Eric Hörnemann „keinen nennenswerten Anstieg der Personalausstattung bei gleichzeitig erheblich gestiegenen Anforderungen, die Pflegekräfte heute zu bewältigen haben.“
Gerne erinnert sich Neumann an Spaziergänge oder Spielemachmittage, die früher zu ihrem Arbeitsalltag mit den Heimbewohnern gehörten. Solche Betreuungsaufgaben muss sie heute den Mitarbeitern des Sozialdienstes und den ehrenamtlichen Helfern des Hauses überlassen, um Zeit für die Pflege von schwerstkranken Bewohnern mit Pflegedokumentation, Medikamentenabgabe und Ärztegespräche zu haben. „Das hat meinen Beruf nicht gerade befriedigender gemacht“, räumt Neumann ein.
Auch Volkmar Spira, der als Stiftungsdirektor des Evangelischen Krankenhauses 1994 den Bau des Wohnstiftes managte, sieht heute eine unheilvolle Entwicklung, weil das 1995 mit der Pflegeversicherung eingeführte Pflegestufensystem mit seinen Zeit- und Budgetvorgaben die Wirklichkeit des Pflegealltags nicht abbilde und darüber hinaus für mehr Bürokratie gesorgt habe. „Wenn es so weiter geht, blutet die Pflege aus, weil Pflegekräfte in diesem Finanzierungssystem nicht mehr das leisten können, was sie für die Menschen leisten wollen.“
Dass inzwischen ein gutes Drittel der Arbeitszeit mit administrativen Aufgaben wie Pflegedokumentation verbracht wird, sehen Neumann und Hörnemann als kontraproduktiv an. Dass der Pflegebedarf sich nicht nur im Wohnstift Uhlenhorst massiv erhöht hat, macht Einrichtungsleiterin Gross auch daran fest, „dass viele Menschen heute viel später ins Altenheim kommen und dann oft auch schwere Krankheiten, wie einen Schlaganfall oder Krebs mitbringen.“ Hinzu kommt, dass der Anteil der demenziel veränderten Bewohner, die aufgrund ihrer geistigen Verwirrung sehr betreuungsintensiv sind, inzwischen auf über 50 Prozent angestiegen ist. Waren früher 10 bis 15 Jahre im Wohnstift keine Seltenheit, so liegt die durchschnittliche Verweildauer der Bewohner heute zwischen zwei Tagen und zwei Jahren.
Obwohl auch sie gesundheitliche Probleme hat, gehört die seit zwei Jahren im Wohnstift lebende Ilse Bohnes zu den fitteren Bewohnern. „Inzwischen ist das hier zu meinem Zuhause geworden, in dem ich mich wohlfühle“, sagt die 83-Jährige, die früher in Winkhausen lebte und nur zur Wassergymnastik in das öffentliche Schwimmbad des Wohnstiftes kam. „Dadurch war mir das Haus schon vertraut“, erinnert sich Bohnes. Ausschlaggebend für ihren Einzug war, „dass ich hier mein eigenes Apartment habe, in dem ich morgens frühstücken kann.“ Als das Wohnstift im Oktober 1994 eröffnet wurde, titelte die NRZ: „Wie ein Hotel wirkt das Altenheim im Uhlenhorst“ und zitierte eine der ersten Bewohnerinnen mit dem Satz: „Ich fühle mich hier wie im Urlaub.“
Der Eindruck eines Hotels drängt sich auch heute dem Besucher auf, wenn er in die Apartments der Bewohner schaut, an gemütlichen Sitzecken und Speisebereichen vorbei geht oder einen Blick ins Cafe, ins Schwimmbad oder in den Veranstaltungssaal wirft. Hier gehen Gottesdienste, Konzerte, Vorträge, Theateraufführungen, Lesungen oder auch Karnevalsveranstaltungen über die Bühne, die das Haus bewusst nach außen in die Stadt hinein öffnen.
Heute kann Volkmar Spira darüber lachen, wenn er sich an die Überzeugungsarbeit erinnert, die er zusammen mit dem damaligen Kuratoriumsvorsitzenden Rolf Schaberg bei einigen Anwohnern leisten musste, die sich gegen ein Altenheim in ihrer Nachbarschaft wehrten, „weil sie fürchteten, dass dann zu viele Bäume gefällt und der Wert ihrer Grundstücke gemindert werden könnte, wenn plötzlich alte Menschen auf der Straße stehen.“
Das real existierende Altenheim beseitigte die anfänglichen Vorbehalte rasch. Selbst aus Japan kamen Besucher, um zu sehen, wie ein Altenheim ausschließlich auf Einzelapartments setzt, in denen die Bewohner auch dann wohnen bleiben, wenn sie schwer pflegebedürftig werden. „Das hat sich in all den Jahren bewährt und dafür gesorgt, dass Bewohner im Pflegefall kein Gefühl des Abstiegs erleben müssen.“