Wie meist im Leben, hängt auch in der Politik alles mit allem zusammen. Die Weigerung des Kämmerers, dem Stadtrat weiterhin die Spar-Arbeit abzunehmen, die Forderung der Oberbürgermeisterin (Auszüge der Rede siehe Kasten), sofort mit dem Haushalten anzufangen, die mehrheitlich als überflüssig gewertete Ausgabe von 137000 Euro für Beschwerdetelefon und Broschüren während der Rumbachsanierung, die politische Empörung über den Verursacher, den Beigeordneten Peter Vermeulen und die derbe Rechtfertigung der CDU für diesen Schritt („Stümper“). Das Motiv für Letzteres ist wiederum mit einer neuen Facette verwoben, der Oberbürgermeister-Wahl 2015. Denn für die galt Vermeulen als Kandidat, nicht nur der CDU.

Am Mittwoch sagte Vermeulen nun in der CDU-Fraktion endgültig ab, während ein anderer, Stadtdirektor Frank Steinfort, antritt. Das verändert diverse Strategielinien entscheidend.

Wie sehr, verdeutlicht ein Blick in die Gemütslage der FDP. „So war das nicht ausgemacht“, grantelt Fraktionschef Peter Beitz. Vermeulen hatte sich seit Monaten als gemeinsamer Kandidat „der bürgerlichen Mitte“ aufgebaut, was Kontakte zu den Grünen und den MBI einschloß. Von der Absage aus der Zeitung zu erfahren (die NRZ berichtete) ändert alles, sagte Beitz. „Steinfort ist nicht unser Mann. Wir treten selbst an.“ Bei den Grünen ist es nur insofern anders, als vielen der Verzicht auf eine eigene Kandidatur ohnehin schwer gefallen wäre. Auch die darf jetzt als sicher gelten. Ebenso wenig ist vorstellbar, dass die MBI sich hinter einem CDU-Kandidaten Steinfort versammeln, dem sie traditionell die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihrem Feindbild, OB Dagmar Mühlenfeld, anlasten. Deren oder die Niederlage eines anderen SPD-Kandidaten wäre aber das einzige Motiv für die merkwürdige Allianz gewesen.

Die ist nun Geschichte. Und die SPD damit ein Stück weiter. Obwohl die Sozialdemokraten Vermeulen erst vor kurzem überwiegend wiedergewählt hatten, stand die Verhinderung seiner OB-Kandidatur ganz oben auf der Wunschliste. Seit seinem Alleingang bei der Bewerbung um eine Sparkassen-Akademie, der Chuzpe, mit der Vermeulen in seinem Dezernat eine Betriebssportgruppe Fußball während der Arbeitszeit auflaufen ließ und erst recht nach der nun eigenwilligen Vergabe eines kostspieligen Kommunikationsauftrags an ein Kölner Büro, galt er als unberechenbar, als Risiko, und die SPD wünschte den Beamten überall hin, möglichst weit weg, Krefeld wäre ein Anfang.

Dort ist Vermeulen als OB-Bewerber noch im Rennen und eben deswegen bremste die SPD gestern ihren Aufklärungsdrang in der Affäre „Rumbach“ -nicht ohne Vermeulen mangelnde Zuverlässigkeit zu bescheinigen. Die Intention ist klar: Für den Fall, dass Vermeulen doch nicht in Krefeld landen kann, will die SPD eine Handhabe zur Generalkritik in der Hand haben. Für einen Beamten ist das ein herber Vorwurf, für den Kontakt mit der CDU markiert es noch keine Trennlinie. Denn: Wenn das Wort der OB - die im Übrigen erstaunlich oft von der Zukunft und nie von Amtsmüdigkeit redet - wenn also deren Wort wahr und eine finanzielle Kursumkehr Wirklichkeit werden soll, dann braucht es dafür im Dezember einen Haushaltsbeschluss und für den wiederum 29 Stimmen im Rat. 18 hat die SPD selbst. FDP, Linke und MBI würden nie Ja sagen, selbst Grüne und der Neuling AfD haben zusammen nur zehn Sitze, müsste also noch der Pirat Trojahn...

Spätestens da versagt die politische Fantasie. Also, denkt die SPD, braucht sie die CDU, während die CDU keineswegs so geschlossen ist, wie es der gestrige, heftige Ausflug zur Abteilung Attacke vermuten ließe. Während Fraktionschef Michels verbal austeilte, mäßigte sich sein Vize Heiko Hendriks auffallend und sprach sogar davon, dass „jetzt“ keine Gefahr, und damit kein Grund mehr für einen Prüfauftrag bestünde, weil ja „jetzt“ die Gremien umfassend informiert würden...

Der Beweggrund für die Milde: den einzigen OB-Kandidaten Steinfort nicht in eine Lage zu treiben, in der er öffentlich gegen Vermeulen vorgehen - und damit CDU-intern seine Chancen ruinieren würde. Intern ist es nach dem gestrigen, sehr grundsätzlichen Dissens zwischen Vermeulen und allen anderen Dezernenten allerdings kaum vorstellbar, wie eine Rückkehr zu vertrauensvoller Zusammenarbeit gelingen könnte. Denn eins hat Vermeulen nicht getan: Fehler eingeräumt.

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