Mülheim. Integrationshelfer erleichtern behinderten Kindern und Jugendlichen den Schullalltag. Sie sollen professionell arbeiten, brauchen aber keine besondere Qualifikation. Zwei Mülheimer berichten von ihren Erfahrungen.

Im Zuge der Inklusion, wenn mehr und mehr Kinder mit Handicap Regelschulen besuchen, sind Integrationshelfer gefragt, die ihnen im Unterricht zur Seite stehen. Ein Beruf, für den man keine besondere Qualifikation nachweisen muss. „Belastbarkeit“ und „Einfühlungsvermögen“ soll man laut Stellenprofil mitbringen. Pädagogische Ausbildung sei „nicht zwingend erforderlich“, aber von Vorteil.

„Man braucht Fingerspitzengefühl und Lebenserfahrung“, meint Simone Stowasser, die sich dieser Aufgabe seit rund acht Jahren als Teilzeitkraft bei der Lebenshilfe in Mülheim widmet. Hier sind allerdings auch ganz junge Leute, Studenten etwa, in gleicher Funktion beschäftigt. Die 48-Jährige, gelernte Bürokauffrau, sagt: „Ich finde diesen Beruf super sinnvoll und könnte mir nichts anderes mehr vorstellen.“ Eine formelle Aus- oder Fortbildung für Integrationshelfer vermisst sie nicht.

„Im besten Fall werden wir nicht gebraucht“

Sehr angetan von seiner neuen Aufgabe ist auch Andreas Muschelik (55), ursprünglich Betriebswirt, der vorzeitig in den Ruhestand gehen musste. „Das Tolle ist, dass man positive Entwicklungen sieht.“ Seit Jahresbeginn begleitet er einen 16-jährigen Autisten, der von einer Förderschule zum Berufskolleg wechselte. Auch bei einer Klassenfahrt nach Berlin war Muschelik dabei, um den Jungen beruhigend aufzufangen, wenn dieser allzu heftig, panisch reagierte („die Lehrer können das ja gar nicht leisten“). Als der Jugendliche nach den Sommerferien in die neue Klasse kam, saß der Begleiter anfangs täglich mit im Raum, inzwischen genügt es einmal pro Woche. Muschelik sagt: „Das ist ja das Beste, wenn wir Integrationshelfer gar nicht mehr gebraucht werden.“

Simone Stowasser kümmert sich um einen sechsjährigen, körperbehinderten Jungen, der gerade an einer regulären Grundschule gestartet ist. Der Erstklässler leidet an neurologischen Ausfällen, so dass er Hilfe beim Gang zur Toilette oder im Sportunterricht benötigt. Dies versuchen sie möglichst unauffällig zu regeln. „Die anderen Kinder in der Klasse sollen gar nicht wissen, dass ich nur für diesen Jungen da bin.“

Bis zum Schulabschluss begleitet

Permanenter Kontakt zu den Lehrern sei wichtig, betonen beide, und zur Familie. „Die Chemie muss stimmen.“ Trotzdem sollte das Verhältnis stets professionell bleiben, „denn irgendwann trennt man sich ja auch“, sagt Simone Stowasser.

Sie hat zuvor einen jungen Rollstuhlfahrer lange begleitet, von der dritten Klasse bis zum Realschulabschluss. „Zur Abschiedsfeier bin ich lieber nicht gegangen. Ich wollte nicht mit Tränen in den Augen da stehen.“ Ihm wurde keine Eingliederungshilfe mehr bewilligt. „Jetzt muss er es alleine schaffen.“

Stundenlohn der Helfer beginnt bei 8,65 Euro

Integrations- bzw. Eingliederungshilfe für eine angemessene Schulbildung wird von den Familien beim Sozialamt beantragt und durch die Stadt finanziert. Im Jahr 2013 summierten sich diese Aufwendungen, für die ein Leistungsanspruch besteht, auf rund eine Million Euro. „Wir spüren eine Steigerung in Mülheim, aber sie ist noch moderat“, erklärt Thomas Konietzka, stellvertretender Leiter des Sozialamtes. „Bisher kommen wir mit den Kräften nach.“

Zentraler Partner der Stadt ist hier die Lebenshilfe, über die Integrationshelfer angestellt werden, derzeit sind es knapp hundert Frauen und Männer. Etwa 50 Kinder und Jugendliche werden bei ihrer schulischen Ausbildung begleitet, rund zehn Helfer sind in Kitas im Einsatz, hier läuft die Finanzierung über den Landschaftsverband. Zudem verfügt die Rembergschule über ein Pool-Modell mit 35 Mitarbeitern. Unterstützung erhält auch ein junger Student, der die FH Bochum besucht.

Die Lebenshilfe Mülheim sucht laufend Integrationshelfer/innen für Schulbetreuung. Deren Stundenlohn beginnt bei 8,65 Euro, steigert sich jedoch mit wachsender Erfahrung. „Nach oben ist ganz viel Luft“, versichert Christiane Schmidt, Geschäftsführerin der Lebenshilfe. Gearbeitet wird in Teilzeit, in Form von Jahres-Stundenkonten, über die Ferienzeiten ausgeglichen werden.