Speldorf.. Interview anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Jugendhauses „Kolo“: Wolfgang Piontek, seit 32 Jahren Leiter der Einrichtung findet: „Jugendliche brauchen Freiräume, um sich ohne Leistungsdruck auszuprobieren. Dafür braucht man Jugendheime.“

Für die Jugendlichen der 1970er oder 80er Jahre war klar: In der Freizeit ging es ins Jugendheim. Ist das heute überhaupt noch angesagt? Wir haben Wolfgang Piontek gefragt, der seit 32 Jahren das evangelische Jugendhaus „Kolo“ an der Koloniestraße leitet.

Haben sich die Jugendlichen in drei bzw. fünf Jahrzehnten verändert?

Wolfgang Piontek: Ja. Jugendliche sind heute angepasster, manchmal sogar zu brav. Die 60er und 70er Jahre - das war die Zeit der ,Rocker’, in den 80ern war man politisch, ging auf die Straße, machte bei Demonstrationen mit.

Und heute?

Piontek: Sitzen junge Leute viel mehr zu Hause, oft vor dem PC. Sie kommunizieren über soziale Netzwerke. Wenn sie sich treffen, dann eher in kleinen Gruppen zu Hause. Ihr Leben ist auch viel verplanter als früher. Neben der Schule haben sie viele feste Freizeittermine.

Trotzdem gibt es noch viele junge Leute, die ins „Kolo“ kommen. . .

Piontek: Etwa 350 Kinder und Jugendliche kommen regelmäßig her. Unser Angebot hat sich in den Jahren allerdings verändert. Die Teestube, in der nur rumgesessen und geklönt wurde, zieht nicht mehr. Die jungen Leute sind gerne gefordert, mögen Programm und Projekte. Aus pädagogischer Sicht muss ich aber auch sagen, dass Zeit für freies Spiel und unverplantes Zusammensein wichtig ist.

Wie gewinnen Sie Besucher?

Piontek: Durch den Konfirmandenunterricht. Wir gehen auch in die Schulen und werben. Ehemalige Besucher schicken ihre Kinder her.

Wie sieht Ihr Programm aus?

Piontek: Wir sind eine Einrichtung mit teiloffener Tür. Es gibt Gruppenangebote wie Mädchengruppe, Kinderchor oder Hausaufgabenhilfe und Projekte wie Theaterspiel, Auschwitz-Seminar und vieles mehr. Renner sind zurzeit zum Beispiel die Kinderdisco oder der Table-Game-Tag für Leute ab 16.

Und neben den festen Terminen . . .

Piontek: Haben wir den offenen Treff. Jugendliche kommen her, um zu kickern, an der Playstation zu spielen. Das sind oft Kinder aus finanzschwachen Familien, für die es wichtig ist, einen Treff zu haben.

Ist Jugendarbeit weiterhin auch soziale Arbeit?

Piontek: Die soziale Arbeit hat nicht abgenommen, die Themen haben sich aber verlagert. Ich merke, dass ich auch weiterhin als Ansprechpartner bei Problemen gesucht werde. Bei Angelegenheiten, die die Jugendlichen nicht mit den Eltern besprechen wollen.

Wie sieht es mit Mitwirkung aus?

Piontek: Das Haus ist nicht mein Haus, sondern unser Haus. Es gibt 45 Jugendliche, die als Jugendleiter geschult wurden und ehrenamtlich mithelfen. Wir nehmen die Anregungen der jungen Leute auf, sie sind auch im Jugendausschuss vertreten. Wir leben Demokratie.

Die ev. Kirche konzentriert ihre Jugendarbeit, wird es künftig überhaupt noch Jugendheime geben?

Piontek: Wir brauchen weiterhin Jugendhäuser. Jugendliche in der Pubertät müssen auch raus aus der Schule und weg von den Eltern, im Jugendhaus können sie sich ausprobieren, können Dinge machen, ohne dass ein Leistungsanspruch dahinter steht. Hier gibt es keine Noten. Jugendheime sind neben Schule und Elternhaus eine dritte Beratungs- und Vermittlungsinstanz. Trotz der Pläne der ev. Kirche wird die Jugendarbeit in Speldorf erhalten bleiben, da bin ich sicher.

Das „Kolo“ feiert heute und morgen sein 50-jähriges Bestehen. Heute steigt ab 19 Uhr eine Ehemaligen-Party, am Samstag von 14 bis 17 Uhr ein großes Kinder- und Familienfest.