Vordergründig geht es um eine Zahl. Jedes Jahr oder alle zwei Jahre eine Ausstellung Mülheimer Kunstschaffenden im Kunstmuseum, das ist die Frage. Die einen, die Künstler, pochen auf den Jahresrhythmus, die anderen, Kunstmuseum und Kunstverein. halten alle zwei Jahre für ausreichend, wollen das Programm über die Stadt hinaus erweitern und verjüngen.
Eine Kompromisslinie ist nicht in Sicht. Auch das Sommerfest am Wochenende wird eher zur Verfestigung der Standpunkte dienen, weniger der Annäherung. Der Grund ist, dass es um viel mehr geht als um eine Zahl. Es geht um Wertschätzung, Kommunikation, um Sinn und Konzept eines Museums und um Lokalpatriotismus, also zugespitzt: Ist Kunst gleich deswegen zeigenswerte Kunst, nur weil sie aus Mülheim kommt? Intern sind die Wahrheiten dazu längst ausgetauscht. Im Beisein der Künstler hat Museumsleiterin Beate Reese Defizite an Qualität und Thementreue der Jahresausstellungen benannt. Sie sieht sich Attraktiviät und Strahlkraft des Museums verpflichtet, siehe Macke.
Die Künstler wiederum bemängeln vor allem, vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein. In einem Positionspapier heißt es, ihnen sei klar, dass der lokale Zugang zu einer Jahresausstellung in einem Museum ein „Privileg“ sei. Mehr noch: „Nach 85 Jahresausstellungen kann man auch etwas ändern“, räumen sie ein, „aber nicht ohne uns.“
In dieser Situation meldet sich einer zu Wort, der ein Künstler aus Mülheimer ist, darüber hinaus streitbar und offenherzig: Klaus Geldmacher. Sein Beitrag, der in konkreten Vorschlägen mündet, sei hier auszugsweise wiedergegeben.
„In vielen Städten wird alle Jahre wieder ein Querschnitt des künstlerischen Schaffens präsentiert, der meist in der Vorweihnachtszeit auch zum Kunstkauf animieren soll. Durchaus legitim. Solange diese von den Künstlern in eigener Regie und in eigenen Räumen veranstaltet werden, kräht kein Hahn danach. Problematisch wird es, wenn - wie in Mülheim - Kunstmuseum und Kunstverein Mitveranstalter sind. Deren Interessen müssen mit berücksichtigt werden. Das Kunstmuseum legt Wert auf Qualität und Kunstvermittlung; der Kunstverein will vor allem junge Künstler gewinnen und vergibt dazu einen Förderpreis.
Die Arbeitsgemeinschaft Mülheimer Künstler jedoch schmort im eigenen Saft; sie sollte sich einen Ruck geben und umdenken; sie muss aufhören, mit ihren Verdiensten um die Schaffung des Kunstmuseums in der alten Post zu argumentieren. Und auch nicht altes Gewohnheitsrecht reklamieren.
Damit sind wir beim Kern des Konfliktes. Die von der Arbeitsgemeinschaft „jurierten“ Ausstellungen der letzten Jahre waren monoton und profillos; da hackte die eine Krähe der anderen kein Auge aus. Jede/r will und soll immer wieder dabei sein. Doch nur wenige Künstler entwickeln sich so rasant, dass jedes Jahr wirklich Neues entsteht und deshalb zeigenswert ist. Ein Zwei-Jahres-Rhythmus macht also durchaus Sinn. Auch die Öffnung über die Stadtgrenzen hinaus sowie die spezielle Förderung des künstlerischen Nachwuchses versprechen mehr Vielfalt. Hinsichtlich der Qualität, der Auswahl der Ausstellungsstücke, müssen unbedingt neue Wege gegangen werden. Verschiedene Modelle könnten erprobt werden:
1) Ein Künstler-Jury aus Nicht-Mülheimern wählt aus und macht ihre Kriterien öffentlich - wie z.B. bei den Mülheimer Theatertagen.
2) Ein Ausstellungs-Kurator von außen wird berufen.
3) Wechselnde Mülheimer Kunstliebhaber oder -Sammler stellen die Ausstellung nach persönlichen Vorlieben zusammen.
Entscheidend ist, dass kompromisslos und nachvollziehbar ausgewählt wird. Die Arbeitsgemeinschaft sollte sich von ihrer alljährlichen Übersichtsausstellung für Insider verabschieden. Eine zweijährliche Kunstdarbietung unter selbstkritischem Blickwinkel könnte überregional Beachtung finden.“