100 deutsche Autoren folgen dem Beispiel von 900 amerikanischen Kollegen und protestieren in einem Brief, der kommende Woche veröffentlicht werden soll, gegen die Geschäftspolitik des Internethändlers Amazon, der inzwischen 74 Prozent des deutschen Internetbuchhandels kontrolliert.
Es geht vordergründig um den Druck, den Amazon mit seiner Vertriebs- und Marketingstrategie auf die Verlage ausübt, um beim E-Book-Geschäft größere Gewinnmargen zu bekommen, die zu Lasten der Verlage und Autoren gehen. Noch mehr als finanzielle Einbußen fürchten die Autoren eine langfristige Dominanz des Buchhandels durch Amazon, die irgendwann auch Verlage in die Knie zwingen und in der Folge auch die literarische Vielfalt, die Autoren und Leser heute noch kennen, in Frage stellen könnte.
Mülheims bekanntester Schriftsteller Jörg Juretzka (s. Kasten) hat den Brandbrief seiner Kollegen zwar (noch) nicht unterschrieben, erklärt sich aber mit ihrem Anliegen solidarisch. „Es wird immer deutlicher, dass Amazon zu einer großen Krake geworden ist. Wenn man das nicht will, muss man sich als Leser bewegen und wieder mehr im örtlichen Buchhandel einkaufen, wo man von engagierten Leuten beraten wird, die sich nicht nur für Verkaufszahlen, sondern auch für Inhalte interessieren“, betont Juretzka. Auch die Gefahr, dass Internetriesen wie Amazon mit ihrer Marktmacht auch auf Autoren und ihre Inhalte Druck ausüben könnten, ist für ihn nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn er auch „nicht so schwarz sehen will“, dass es künftig nur noch Internetbuchhändler, aber keine Buchhandlungen und Buchverlage mehr geben könnte. „Denn am Ende wird das Publikum entscheiden. Und das ist nicht so doof, wie es von manchen gehalten wird“, sagt der Autor.
Die Saarner Buchhändlerin Birgitta Lange sieht die Dominanz und Expansionsbestrebungen von Amazon nicht nur mit dem Blick auf den Buchhandel sehr kritisch. „Wer sich als Kunde auf Amazon einlässt, muss wissen, dass er die geistige und wirtschaftliche Infrastruktur zerstört, die heute noch in den Innenstädten vorhanden ist, um zu beraten, Begegnungen zu schaffen, Steuern zu zahlen oder Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu schaffen.“
Noch düsterer sieht sie eine Welt, in der die meisten literarischen Inhalte, etwa als E-Book, aus der Datenwolke von Amazon kämen. „Dann wären Leser und ihr Leseverhalten digital durchschaubar. Dann hätten literarische Newcomer mit originellen geistigen Leistungen keine Chance mehr. Sondern wir hätten nur noch 0815-Literatur, die vielleicht aus Schreibbüros käme und nur noch literarische Modewellen bedienen würde, weil die sich besser verkaufen lassen.“
Aktuell werden, laut Börsenverein des deutschen Buchhandels, im örtlichen Buchhandel aber immer noch dreimal mehr Bücher verkauft als im Internet. Noch.