Mülheim. Ulrich Meierdreeß arbeitet seit 34 Jahren in ein und derselben Sparkassenfiliale in Mülheim-Holthausen. In dieser Zeit hat er Generationen betreut und einiges erlebt. Nach so langer Zeit genießt man einen Vertrauensbonus, der auf Gegenseitigkeit beruht: 90 Prozent der Kunden kennt er mit Namen.
Es gibt in jedem Stadtteil Menschen, bei denen man das Gefühl hat, sie seien „irgendwie schon immer“ da gewesen. Sein „schon immer“ kann Ulrich Meierdreeß (59) genau beziffern: Seit 34 Jahren, seit 1980, arbeitet er in ein und derselben Sparkassenfiliale an der Zeppelinstraße. Sieben Jahre zuvor, mit 18 Jahren, hatte der Handelsschüler seine Ausbildung in Mülheim als Bankkaufmann begonnen – ein Wunschberuf, denn Zahlen und Mathe lagen ihm.
Bei den heutigen gebrochenen Arbeitsbiografien sind lange Zugehörigkeiten zu einem Arbeitgeber selten geworden. Selten wohl auch, dass ein Mitarbeiter die geschätzte Kundschaft schon seit der Zeit kennt, als sie ihre Sparschweine zum Weltspartag vorbeibrachte. Und schon die Finanzen der Eltern und Großeltern betreute. „Ich habe mehrere Generationen erlebt und mehrere Umbauten“, schmunzelt der 59-Jährige. Ulrich Meierdreeß fing in Holthausen vor 34 Jahren als Kassierer an.
Herzstillstand direkt vor der Kasse
Der Mann hinter dem Panzerglas, der das Geld auszahlte – ein Anblick, den viele seiner jüngeren Kunden im Zeitalter der Geldautomaten nie erlebt haben. Später dann, als Kundenberater, kam die ältere Kundschaft immer noch besonders gern zu ihm. Und auch die Jüngeren, denn in Holthausen, hat er festgestellt, bleiben die Menschen gern, die Kunden-Fluktuation ist nicht so hoch. Und wenn Kunden wegziehen, aus beruflichen Gründen, „bleiben sie oft noch als Online-Kunden dabei“, hat er gemerkt.
Ulrich Meierdreeß hat noch erlebt, dass die britischen Soldaten der ehemaligen Kaserne zum Monatsende ihren Sold abholten und die „grüne Schlange“ dann bis auf die Straße stand. Einmal brach direkt vor seiner Kasse ein Kunde mit Herzstillstand zusammen. Ein Sparkassen-Kollege, aktiv beim DRK, hat den Mann wiederbelebt, der nach seiner Genesung lange brauchte, um psychisch so stark zu sein, die Filiale wieder zu betreten.
Als Banker braucht man Fingerspitzengefühl
Als langjähriger Mitarbeiter weiß man viel von der Kundschaft. „Ich kenne 90% der Kunden mit Namen, weiß auch oft die Hintergrundgeschichten“, so Meierdreeß, der nach so langer Zeit einen Vertrauensbonus genießt. Das beruht auf Gegenseitigkeit, wenn ein langjähriger Kunde einen kurzfristigen Liquiditätsengpass hat. „Bauchgefühl“, sagt Meierdreeß. Man wird misstrauisch, wenn etwas Ungewöhnliches geschieht. So wie bei der älteren Dame, die regelmäßig ihre Rente abholte und plötzlich eine größere Summe haben wollte.
Als Banker muss man Fingerspitzengefühl haben. „Eine schwierige Situation“, erinnert er sich. „Sie können ja nicht die Auszahlung verweigern.“ Ulrich Meierdreeß folgte seinem Instinkt, rief den Sohn der Dame an – und bewahrte sie davor, Opfer des so genannten „Enkeltricks“ zu werden.