Seit 2008 gibt es bei der Polizei eine eigene Einsatzgruppe, die sich um jugendliche Intensivtäter kümmert. Ihre Zielgruppe sind junge Leute ab 14, die schon mehrere Raubdelikte begangen haben, besonders gewalttätig sind oder auch exzessiv schwarzfahren. Das Ziel der Einsatzgruppe ist es, diese Kette von Straftaten zu durchbrechen. Und da haben die Polizisten ein gute Bilanz vorzuweisen: „In Mülheim gehören im Moment nur 15 Jugendliche zu dieser Gruppe. Die Zahlen waren früher höher“, erläutert der stellvertretende Leiter der Spezialabteilung, Udo Rosenetzke (siehe Kasten).
Neue Druckmittel
Was machen die Beamten nun anders als vorher? Der Innenminister bietet neue Druckmittel: „Du bekommst keinen Führerschein.“ Eine Drohung, die einen 16-Jährigen zum Umdenken bewegen kann. Schließlich steht der Führerschein für mehr als nur die Fahrerlaubnis, er ist auch ein Symbol für Selbstständigkeit und Freiheit. Wer will darauf schon verzichten? Allerdings: Damit eine Drohung auch wirksam bleibt, muss sie dosiert eingesetzt werden. So gibt es zunächst eine Warnung - die gelbe Karte.
Die Oberhausener Polizei ist glücklich über dieses neues Instrument. Dort ist die Zahl der jungen Intensivtäter erheblich zurückgegangen von 50 auf 17 innerhalb von sieben Jahren. Vor allem, so betonen die Oberhausener Kollegen, sei dies eine Folge des neuen Verwarnsystems. Udo Rosenetzke von der Einsatzgruppe im Polizeipräsidium Mülheim/Essen sieht die Gründe für den Erfolg in seinem Einsatzgebiet allerdings eher woanders.
„Wenn der Jugendliche schon straffällig geworden ist, ist es eigentlich schon viel zu spät. Die Straftat muss verhindert werden“, so der Kriminalhauptkommissar. Die Führerschein-Drohung könne auch erst ausgesprochen werden, wenn der Jugendliche bereits eine relativ hohe Zahl an Straftaten begangen habe. „Wir sind stolz darauf, dass es solche Fälle bei uns gar nicht gibt.“ Aber auch ganz grundsätzlich hat Rosenetzke Zweifel am Sinn dieses Ansatzes: „Wir wollen, dass die Jugendlichen ihr Leben in den Griff bekommen. Dazu gehört auch eine berufliche Perspektive. Bei vielen Arbeitsstellen gehört heute aber ein Führerschein zu den Standard-Anforderungen. Wir können den Jugendlichen doch nicht den Weg in eine solche Zukunft verbauen.“ Dies sei geradezu kontraproduktiv.
Gut vernetzt
Rosenetzke sieht den positiven Effekt woanders: „Wir sind sehr gut mit dem Jugendamt, der Jugendgerichtshilfe, aber auch mit den einzelnen Schulen vernetzt. Ein guter Pädagoge merkt, wenn einer seiner Schüler Auffälligkeiten zeigt. Die melden sich dann bei uns und wir suchen mit den Schülern frühzeitig das Gespräch.“
Miteinander reden - das sei sowieso sehr wichtig. „Wir sind für die Jugendlichen wichtige Ansprechpartner. Ich verstehe mich auch als eine Mischung aus Polizist und Sozialarbeiter. Erst vor einigen Tagen hat mich ein Jugendlicher angerufen, der sich um einen Platz an einer anderen Schule bemüht hat. Das hat nicht geklappt. Da werde ich jetzt auch noch mal vorsprechen.“ Genau so ein Vertrauensverhältnis sei wichtig. „Das Ziel lautet: ein Jahr keine Straftat. Und auf diesem Weg dahin begleiten wir sie.“ Die Erfolge seien sichtbar: „In Mülheim gibt es keine Kriminalität von Jugendbanden. Sobald ein Delikt gemeldet wird, werden wir sofort aktiv. Da kann sich dann erst gar nicht eine entsprechende Szene bilden. Es gibt bei uns Tage ohne ein einziges Raubdelikt.“ Dies sei, so der Hauptkommissar, für eine Großstadt ein beachtlicher Wert.