Mülheim. . Per Mail an die Ratsfraktionen sorgt Mülheims Baudezernent Peter Vermeulen für Unruhe: Obwohl sich die Stadt selbst mit Grundstücken um die Ansiedlung der Sparkassen-Akademie bewirbt, spricht er sich für den Kaufhof aus. Sind Holiday Inn, Vapiano und Rewe im Gepäck?
Mit einer E-Mail aus dem Urlaub an die Ratsfraktionen hat Planungsdezernent Peter Vermeulen mächtig Unruhe in Politik und Verwaltungsspitze gebracht. In seinem Schreiben, das der WAZ vorliegt, gibt Vermeulen in der Debatte um Mülheims Bewerbung um den Sitz der Sparkassen-Akademie NRW eine Standortempfehlung zu Gunsten des Kaufhofs ab. Dabei hat die Stadt selbst mehrere zehntausend Euro in die Bewerbungen für zwei eigene Grundstücke (VHS-Areal und Ruhrbania-Baufeld 4) investiert.
„Die Sparkassen-Akademie kann, wenn man die Ausschreibungsbedingungen liest, keinen besseren Standort als das zentral in der Mülheimer Innenstadt gelegene ehemalige Kaufhof-Gelände finden“, schrieb Vermeulen an die Fraktionen. Aus städtebaulicher Sicht sei der Kaufhof-Standort zu favorisieren, auch wenn er im Wettbewerb zu den Bewerbungen der Stadt stehe. Das vorliegende Konzept zur Ansiedlung der Akademie am Kaufhof-Standort sei „ein Schlüssel für die Innenstadtentwicklung“, so Vermeulen mit Verweis darauf, dass ein Investor bereits mit Zusagen aufwarten könne, dass neben der Akademie ein Hotel, ein Lebensmitteleinzelhandel und eine Systemgastronomie am Fuße der Schloßstraße ansiedeln würden (siehe unten).
Mail wenige Stunden vor Dringlichkeitsbeschluss
Vermeulens Alleingang sorgte für reichlich Verstimmung in Politik und Verwaltung. Die Mail erreichte die Fraktionen am Dienstag nur wenige Stunden, bevor es im Rathaus einen Dringlichkeitsbeschluss zu unterschreiben galt, mit dem die Stadt ihren eigenen Kooperationspartnern MWB und Imoba zusichert, ihnen im Falle einer erfolgreichen Bewerbung das VHS-Gelände oder Ruhrbania-Baufeld 4 plus Grundstück des ehemaligen Arbeitsamtes zu verkaufen.
Der Dringlichkeitsbeschluss ist von der Ratsmehrheit abgesegnet, nur stellt sich ausgerechnet der Baudezernent gegen die eigenen Bewerbungen. Für das Rathaus war gestern nur Sprecher Volker Wiebels autorisiert, Stellung zu diesem außergewöhnlichen Vorgang zu beziehen. Er nannte die Kommunikation Vermeulens „unglücklich“ und war bemüht, den Schaden herunterzuspielen. Der Baudezernent habe hier lediglich „seine städtebauliche Sicht herausarbeiten wollen“. Für die Stadt gelte: Alle drei Bewerbungen seien gleichermaßen unterstützenswert. „Da ist sich der Verwaltungsvorstand einig.“
Gleichwohl gab es gestern schon Rufe nach dienstrechtlichen Konsequenzen für Vermeulen, weil dieser die Treuepflicht gegenüber der Stadt verletzt habe. „Die Frage stellt sich im Moment nicht“, sagte Wiebels dazu. Verwaltungsintern sorge die Angelegenheit sicher aber für Gesprächsbedarf.
Hat Vermeulen den OB-Wahlkampf eröffnet?
Ungeschickt kommuniziert, oder doch kalkuliertes Positionieren zum OB-Wahlkampf 2015? Die Festlegung von Baudezernent Peter Vermeulen, der Kaufhof sei der beste Mülheimer Standort für die Sparkassen-Akademie, hat Politik und Verwaltung mitten in der Sommerpause aus dem Schlaf gerissen.
Über Stil lässt sich streiten
Sparkassen-Akademie, ein Holiday Inn Express (Drei Sterne Superior), das andernorts beliebte gastronomische Angebot von Vapiano, ein größerer Lebensmittelmarkt, der in der City von vielen herbeigesehnt wird: wahrlich ein vielversprechendes Konzept, wenn es den Zuschlag erhält. Am Ende entscheidet die Jury der Akademie – es wird viele Mitbewerber geben, das zeichnet sich ab. Die überfallartige Parteinahme Vermeulens kurz vor Ende der Bewerbungsfrist ist sachlich berechtigt, über den Stil lässt sich streiten. Sie belegt ein Grundübel in Mülheim: Bis zum bitteren Ende wird um Entscheidungen gerungen. Gute, einvernehmliche Lösungen sind längst eine Ausnahme geworden. Verantwortungsträger täten gut daran, ihre Konsensfähigkeit auf den Prüfstand zu stellen. Zum Wohle dieser Stadt. (Mirco Stodollick)
Bislang lehnt Vermeulen jedwede Stellungnahme zu einer möglichen CDU-Gegenkandidatur zu OB Dagmar Mühlenfeld mit einem Augenzwinkern ab („Ich habe doch einen tollen Job“), doch er gilt als ambitioniert. Schon länger erklärt er populäre Themen des Technischen Rathauses zur Chefsache, gibt sich als Kümmerer und Befürworter einer stärkeren Bürgerbeteiligung in Fragen, die in Mülheim viel Zündstoff in sich haben. Jetzt Vermeulens Alleingang pro Akademie-Bewerbung am Kaufhof-Standort. Damit lässt sich politisch punkten. Die Areale der VHS und auf dem Ruhrbania-Gelände sind von der Kritik an den städtischen Planungen verseucht.
SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering kritisiert Vermeulens Vorstoß. Er sieht „die Einheit von Rat und Verwaltung missachtet“, da Vermeulen den politischen Beschluss zur Bewerbung mit den zwei anderen Grundstücken torpediert. Wiechering vermisst, wie seinerzeit bei der Debatte zur Hochschul-Ansiedlung, ein geschlossenes Auftreten der Stadt. Alle drei Bewerbungen seien gleichermaßen unterstützenswert. Egal wo, Mülheim würde von der Akademie profitieren.
Auch CDU-Fraktionschef Wolfgang Michels unterstrich: „Wir fänden es toll, wenn eine der Bewerbungen zum Zuge kommt, alle drei haben was für sich.“ Gleichwohl habe eine Kaufhof-Lösung den Charme, auch eine Wende der Innenstadt-Krise auslösen zu können. Nur das habe Vermeulen nun wohl „in seiner privaten Meinung und in seiner unnachahmlichen Art rüberbringen“ wollen.
Lothar Reinhard (MBI) stützt Vermeulens Festlegung, eine Akademie im Kaufhof bringe den meisten Nutzen für alle. Der Leerstand sei „das zentrale Problem der Innenstadt“. Warum, fragt er, muss Mülheim sich mit drei Standorten bewerben? So könne die Jury der Akademie nur den Eindruck gewinnen, dass Mülheim „sich wie Sauerbier anbietet“.
Holiday Inn, Rewe und Vapiano?
„Eine Ansiedlung auf dem Kaufhof-Gelände ist für alle Seiten ein Volltreffer“, schrieb Baudezernent Peter Vermeulen am Dienstag an die Ratsfraktionen. Gestern nun sickerte durch, dass für die Innenstadt tatsächlich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen wären, würde das Projekt von Erfolg gekrönt.
Eigentümer Jochen Hoffmeister hält seinen Kaufhof-Leerstand einmal mehr exklusiv für einen potenziellen Investor frei. Die amerikanische Investmentgesellschaft Fortress hat sich das Grundstück bis Ende des Jahres per Kaufvertrag mit Rücktrittsrecht gesichert, um dort bei einem Erfolg der Bewerbung die Sparkassen-Akademie hochzuziehen. Weil die Akademie nicht so viel Platzbedarf hat, wie das Grundstück hergibt, plant der Investor mit weiteren Ansiedlungen.
Dafür, so teilte das kooperierende Architekturbüro AIP mit, seien sogenannte Letter of Interest (Vorverträge) „mit einem namhaften Hotelbetreiber, einem bekannten Systemgastronomieunternehmen und einem Supermarkt“ vereinbart. Laut WAZ-Information soll es sich dabei um ein Holiday Inn Express und Vapiano handeln, AIP arbeitet zudem häufig mit Rewe zusammen. Laut Entwürfen plant AIP „sensible Eingriffe“ in das bestehende Kaufhof-Gebäude. Der bestehende Block soll dreigeteilt werden, die Natursteinfassade in Teilen erhalten bleiben.