Mülheim. Bei der Sommer-VHS für sprachlich zu fördernde Schüler drücken Mädchen und Jungen, zumeist mit Migrationshintergrund, zurzeit die Schulbank – ganz freiwillig und mit jeder Menge Spaß.
„Ich will noch viel mehr Deutsch lernen“, sagt Rosa. Denn sie will weiterkommen, sagt die 14-Jährige selbstbewusst, will möglichst bald die Hauptschule verlassen können Richtung Realschule oder gar Gymnasium. Hört man Rosa zu, wie sie Pläne schmiedet und ihre Zukunft gekonnt ausformuliert, würde wohl niemand daran zweifeln, dass es so kommen wird.
Erst seit einem Jahr ist das junge Mädchen mit den schwarzen Haaren und den großen dunklen Augen in Deutschland. Zusammen mit ihren Eltern und drei Geschwistern ist sie aus Syrien gekommen, geflohen vor dem Bürgerkrieg in ihrem Heimatland. Hier, in der Sommer-VHS, hat Rosa die besten Chancen, ihr Deutsch zu verbessern. Und das mitten in den großen Ferien, bei schönstem Sommerwetter, wenn andere Schüler im Freibad faulenzen.
Kostenlose Förderkurse
Knapp 140 Jungen und Mädchen – von der Grundschule bis zur zehnten Klasse – nehmen das kostenlose Angebot zurzeit wahr. Dilim (Deutsch & Interkulturelles Lernen in Mülheim) heißt das kommunale Programm, das nach Auskunft von Kulturbetriebsleiter Dirk Schneider bereits seit 2002 erfolgreich läuft. Sprache sei die zentrale Größe, um an Schule und Beruf teilhaben zu können, betont Schneider und lobt die freiwillige Extraschicht, die die Jungen und Mädchen in ihrer schulfreien Zeit an der VHS einlegen.
Auch Martina Kleinewegen vom Kommunalen Integrationszentrum erzählt von der großen Motivation gerade der Schüler, die zuhause nicht die nötige Unterstützung bekommen. „Gerade wenn die Kinder ganz neu sind in Mülheim und ihnen alles fremd ist, merken sie in den Dilim-Kursen, dass sie nicht alleine sind mit ihrer Unsicherheit, weil sie hier Mädchen und Jungen begegnen, die in einer ganz ähnlichen Situation sind.“
Deutsch für Anfänger und Fortgeschrittene
„Der Mix macht es“, ist auch Dozent Sebastian Jansen überzeugt. Er unterrichtet bei der Sommer-VHS eine Gruppe für Deutsch-Anfänger und -Fortgeschrittene, bei der der jüngste Teilnehmer die vierte Klasse besucht, der älteste aber schon 30 Jahre alt ist. Der Unterscheid stelle kein Problem dar, betont Jansen, im Gegenteil: „Die Chemie in der Gruppe stimmt.“ So könne jeder vom anderen profitieren. Dazu gehörten auch die Pausen mit gemeinsamen Frisbee- oder Fußballspiel.
Das kann Ali, 14 Jahre, bestätigen: „Hier geht es offener zu, wir verbringen viel Zeit miteinander und reden viel, tauschen uns aus. So macht es richtig Spaß, Sachen zu wiederholen.“ Ali hat sich direkt mit zwei Freunden angemeldet, „dann ist es garantiert nicht langweilig.“
Dass die VHS über die Kurse für Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund zu einem zusätzlichen Lern- und Kulturort wird, begrüßen sowohl Dirk Schneider als auch Martina Kleinewegen. „Das vergrößert für viele den Radius“, hat Kleinewegen beobachtet. Und Schneider fügt hinzu: „Die Kinder fungieren dabei oft als Pfadfinder.“ Denn fühlen sich die Kinder wohl, wird auch die Schwelle für Eltern niedriger, Integrationskurse zu besuchen. Und so taucht nicht selten die Frage auf: „Haben Sie nicht auch einen Kurs für meine Mutter?“
Warum besucht Ihr die Sommer-VHS?
„Ich besuche die Kurse der Sommer-VHS, weil ich unbedingt mehr Deutsch lernen will. An der Gesamtschule Saarn, wo ich in die siebte Klasse gehe, finde ich den Deutschunterricht manchmal schwer. Hier ist der Unterricht auch ganz anders als in Syrien, meiner Heimat. Vor einem Jahr und sieben Monaten bin ich mit meinen beiden Brüdern nach Deutschland gekommen, weil dort Krieg herrscht. Meine Mutter und mein kleinster Bruder sind immer noch in Syrien. Wenn ich die Schule gut schaffe, möchte ich später einmal Rechtsanwältin werden.“ Delwin, 13 Jahre
„Ich komme an zwei Tagen in der Woche her und besuche sowohl den Deutsch- als auch den Englischkurs. Mein Ziel ist es, damit meine schulischen Leistungen zu verbessern. Hier lernen wir viel intensiver als an der Schule, da wir nur in Kleingruppen von maximal fünf Leuten zusammenarbeiten. Und das Ganze ist ja freiwillig, wer kommt, will auch etwas lernen. Ich komme nach den Sommerferien in die zehnte Klasse des Berufskollegs Lehnerstraße. Wenn ich mit der Schule fertig bin, möchte ich eine Ausbildung zur Industriekauffrau machen.“ Claudia, 17 Jahre
„Es macht mir Spaß, hier gemeinsam mit den anderen Mädchen und Jungen zu lernen. Die Gruppe ist sehr nett. Es ist es etwas anderes hier zu lernen, als an der normalen Schule. Ich besuche bei der Sommer-VHS den Deutschkurs und auch die Kurse in Englisch und Mathe. Seitdem ich vor einem Jahr mit meiner Familie aus Syrien hierher gekommen bin, lerne ich an der VHS Deutsch. Aber mein Deutsch muss noch viel besser werden. Ich besuche die achte Klasse auf der Hauptschule, aber ich will mich anstrengen, um weiterzukommen.“ Rosa, 14 Jahre