Es ist Folge des krisenhaften Geschehens weltweit: Etwa 450 Flüchtlinge leben derzeit in der Stadt. Das werden am Ende des Jahres etwa 150 mehr sein als im langjährigen Durchschnitt und insgesamt immer noch nicht viel. In Styrum plant die Stadt in leerstenden Häusern Platz und Betreuung für 150 Flüchtlinge zu schaffen. Im Vorfeld einer Informationsveranstaltung der Lukaskirchengemeinde am heutigen Abend wollen wir vorab einige gundlegende Fragen klären.
Warum nimmt Deutschland Flüchtlinge auf?
Die Gewährung von Schutz beruht auf der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, die wiederum eine Folge der ungeregelten Situation im Zweiten Weltkrieg war. Fast alle Staaten haben sie unterzeichnet, auch Deutschland.
Gibt es Obergrenzen der Aufnahme?
Wie sollte das gehen? Ein schützenswertes Rechtsgut kann schlechterdings reglementiert sein. Genauso gut könnte man sagen, es reiche, die Pressefreiheit, sagen wir mal, 100 Presseerzeugnissen zuzugestehen und bei den anderen Zensur auszuüben. Die Europäische Union hat sich allerdings eine Qualifikationsrichtlinie gegeben, die faktisch begrenzend wirkt, weil sie Mindestnormen für die Aufnahme in die EU festlegt.
Wer ist Flüchtling?
Prinzipiell jemand, der in seinem Heimatland Verfolgung aus rassistischen, religiösen oder politischen Gründen befürchten muss oder erlitten hat. Die Biographien nicht weniger Flüchtlinge haben dramatischen Charakter und sind vielfältig. Der stellvertretende Sozialamtseiter Thomas Konietzka sagt es so: „Aus dem Umstand, dass jemand einen Flüchtlingsantrag stellt, lässt sich nicht auf den sozialen Status schließen.“ Nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW können Flüchtlinge Asylsuchende sein, müssen es aber nicht. Ferner hat die Regierung in Deutschland die Möglichkeit, ein Kontingent an Flüchtlingen aufzunehmen, wie beispielsweise im Fall Syrien. Diese Menschen erhalten sofort eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, aber keine Freizügigkeit. Angehörige von Staaten der Europäischen Union sind grundsätzlich keine Flüchtlinge.
Hat die Stadt Mülheim die Möglichkeit, sich der Aufnahme von Flüchtlingen zu widersetzen, etwa mit dem Hinweis auf fehlende Unterbringungsmöglichkeiten?
Nein. In Nordrhein-Westfalen weist die Bezirksregierung Arnsberg als zentrale Dienststelle die Aufnahme zu. Dagegen ist kein Widerspruch möglich. Es gibt allerdings eine Möglichkeit, wie die Städte aus der Haftung entlassen werden können - wenn Angehörige des Flüchtlings eine Verpflichtungserklärung abgeben und zusichern, sich zu kümmern.
Mit wieviel Vorlauf erfährt die Stadt von der Zuweisung?
Derzeit sind es noch fünf Arbeitstags, bestätigt Konietzka. Einer der Gründe, warum die Stadt sich zusammenhängende Belegungsflächen gesichert hat, bis Oktober im ehemaligen Hildegardishaus, ab Oktober an der Gustavstraße. Wie schon bislang mietet die Stadt aber weiter über das gesamte Stadtgebiet verteilt Wohnungen an. Im Mai kamen 68 neue Flüchtlinge nach Mülheim, im Juni 44. Das sind immer rund ein Prozent der Flüchtlinge, die nach NRW kommen und dies wiederum ist rund ein Viertel aller Flüchtlinge in Deutschland.
Gibt es ein Muster für die Zuweisung, beispielsweise Syrer bevorzugt nach X, Iraker nach Y?
Nein.
Gibt es einen Endpunkt für die Verpflichtung, Flüchtlingen eine Unterkunft bereitzustellen?
Ja, nach 48 Monaten. Schon vor Ablauf der Frist versucht Konietzka für jene, die noch bleiben müssen (seltener: wollen), einen fließenden Übergang hinzubekommen und zum Beispiel Mietwohnungen zu vermitteln. Flüchtlinge, die so lange in Deutschland gelebt haben, besitzen überdies längst eine Arbeitserlaubnis.
Hat die Stadt schon mal Erfahrungen mit Flüchtlingen an der Gustavstraße gesammelt?
Hat sie. Von Sommer 2012 bis Ende 2013 waren in der Spitze 15 Familien dort untergebracht. Über die „Höhen und Tiefen einer normalen Nachbarschaft hinaus“, kann Konietzka von keinen Probleme berichten. Das bestätigt auch Hendrik Dönnebrink, Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft SWB, der die Häuser gehören.
Warum waren die Flüchtlingen dort untergebracht?
Zum damaligen Zeitpunkt gab es in den Häusern bereits einen Leerstand von 30 Prozent, berichtet Dönnebrink. Die Kaltmiete hatte die Nettomiete von vier Euro fast schon eingeholt. Es war also genügend Platz da, und er war rasch verfügbar. Gleichzeitig reifte beim SWB der Plan, die Gebäude abzureißen und Platz für Einfamilienhäuser zu schaffen.
In Styrum hält sich das Gerücht, Styrumer hätten die Häuser räumen müssen, um Platz für Flüchtlinge zu schaffen. Ist da was dran?
Nein. Zwar hat der SWB im Vorjahr begonnen, die Häuser leer zu ziehen. Das betraf aber auch die Wohnungen für die Flüchtlinge. Dönnebrink berichtet, dass die eingesessenen Mieter andere Wohnungen angeboten bekamen. Zudem wurden Umzug und Renovierung bezahlt. Ergebnis: „Von Protesten oder Beschwerden ist uns nichts bekannt“, so Dönnebrink.