Die Weißen Nächte stehen, wie häufig, auch diesmal nicht unter einem sonnigen Wetterstern: Zur Eröffnung am morgigen Mittwochabend soll es regnerisch werden, Donnerstag ebenfalls, Freitag wolkig, aber Samstag heiter bei 20 Grad, und Sonntag schon wieder unbeständig. Wir wissen nicht, wie Roberto Ciulli die Götter am Raffelberg verärgert hat. Nur soviel, dass sich auf dem Gipfel eines heiligen Berges in Ecuador der dicke Nebel immer mehr lichtete, als das Mülheimer Ensemble dort einmal mit „Kaspar“ unter freiem Himmel auftrat. Die Indios hatten Angst, die Götter herauszufordern. Doch mit Beginn der Aufführung stand nur noch eine große Wolke am Himmel, spielte mit und gab eine atemberaubende Kulisse ab. „Mögen die Götter am Raffelberg gnädig sein und uns und den Weißen Nächten ein wunderbares Zusammenwirken von Natur und Theater schenken“, so Ciulli im Namen der Künstlerischen Leitung.
Vielleicht wird dieser Wunsch ja erhört. Und wenn nicht, so sind die Schauspieler darin erprobt, Wind und Wassermassen von oben und unten zu trotzen. Mal gucken, wie es kommt. Jedenfalls ließen sich die Besucher in all den Jahren nicht davon abhalten, die Theaterstücke in freier Natur zu genießen – ob nun im Regen oder an einem lauen Sommerabend. Tausende Gäste aus der ganzen Region zieht es jährlich zu dem Festival nach Mülheim, im letzten Jahr waren es über 5000. Gratis dazu – mit Ausnahme von Getränken und Snacks, die es an den Ständen gibt. Der kunstvoll illuminierte Park mit Lichtern in Bäumen, auf dem Wasser, auf Wiesen, Wegen und Wegesrändern vollendet auch diesmal wieder die Inszenierung am Raffelberg. Konzerte (s. unten) stimmen auf das Schauspiel ein.
Fünf Theaterstücke stehen von Mittwoch, 9. Juli, bis Sonntag, 13. Juli, jeweils um 20.30 Uhr, auf dem Spielplan: Los geht’s am Mittwoch mit „Wer hat meine Schuhe vergraben?“ – eine hauseigene Improvisationsarbeit, die im Rahmen von „Mülheim am Meer“ entstanden ist.
Donnerstagabend gehört die Bühne „Woyzeck“ von Georg Büchner. Es ist die Geschichte eines vom Leben in den Irrsinn getriebenen einfachen Mannes – begleitet von einem achtköpfigen Musik-Orchester aus Schauspielern. Es folgt am Freitag „Antigone“ nach Sophokles. Samstag kommt mit „Kaspar“ von Peter Handke ein Klassiker aus dem Repertoire zur Aufführung.
Für die kleinen Zuschauer spielt Maria Neumann Sonntagnachmittag, 16 Uhr, das Märchen „Hans im Glück“ im Park. Und mit dem aberwitzigen Verwirrspiel „Gott“ von Woody Allen steigen Sonntagabend die Weißen Nächte 2014 „in den Himmel“. Bleibt zu hoffen, dass darin vorkommende Blitze nicht von der Natur übernommen werden.