Mülheim. Beschäftigte des Mülheimer Senioren- und Pflegezentrums Bonifatius reagieren mit einem „offenen Brief“ auf Medienberichte. Die städtische Heimaufsicht, die einen Belegungsstopp verhängte, hat jetzt den umfangreichen Prüfreport des MDK erhalten. Öffentlich ist dieser jedoch nicht.
Für das Pflegeheim Bonifatius liegt seit Donnerstag ein über 270 Seiten starker Bericht des MDK vor, der auf Grundlage einer Anlassprüfung kurz nach Pfingsten entstand. Der Report wird nicht veröffentlicht, ging aber dem Betreiber Maternus GmbH zu und der städtischen Heimaufsicht, die für das Haus am 18. Juni einen befristeten Belegungsstopp aussprach.
„Wenn bis Mitte Juli alles okay ist, lockern wir den Belegungsstopp“, erklärte nun Stadtsprecher Volker Wiebels. „Andernfalls müssen wir weitere Maßnahmen ergreifen.“ Von Seiten der Maternus wird betont, man sei sofort nach Bekanntwerden der Probleme tätig geworden und „überzeugt, dass die eingeleiteten Maßnahmen helfen werden, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen“.
Ein Unternehmenssprecher sagte am Donnerstag gegenüber dieser Zeitung: „Wir würden jetzt gerne in Ruhe arbeiten.“ Doch durchkreuzt wird dieses Bedürfnis aktuell von zwei Schreiben, die verschiedenen Medien zugingen und jüngst auch ein Fernsehteam auf den Plan riefen. Die vorliegenden Berichte, augenscheinlich von Insidern verfasst, sind nicht namentlich unterzeichnet, sondern nur allgemein von „Mitarbeitern“ beziehungsweise auch „ehemaligen Heimbeiratsmitgliedern“ und „Angehörigen“.
Darin werden Mängel in der Pflege und Dokumentation, auch Personal- und Managementprobleme anhand konkreter Fälle noch einmal ausgebreitet. Zwei Kritikpunkte stechen heraus: Defizite seien noch nicht, wie von Maternus behauptet, behoben. Und die Heimaufsicht habe massive Pflegemängel seit Jahren gekannt, aber herunter gespielt. Stadtsprecher Volker Wiebels entgegnet auf diese Kritik: „Wir haben das Bonifatius-Heim seit Jahren im Blick und sind dort nach routinemäßigen oder anlassbezogenen Kontrollen auch immer wieder tätig geworden“
Am gestrigen Freitag fand bei Bonifatius eine Mitarbeiterversammlung statt, in deren Verlauf nach Angaben des Betreibers 35 Unterschriften gesammelt wurden (insgesamt arbeiten derzeit 86 Pflege- und Betreuungskräfte im Haus). In einem „ Offenen Brief der Mitarbeiter zur Medienberichterstattung“ distanzieren sich die Teilnehmer von den anonymen Schreiben und erklären: „Es ist für uns wenig hilfreich, wenn diese Personen unsere Arbeit unterlaufen.“ Weiter heißt es: „Wir stehen zu den Fehlern, die in der Vergangenheit geschehen sind. Daraus haben wir gelernt. Wir arbeiten hier seit Wochen aktiv an der Beseitigung der Probleme mit. Das kostet uns Kraft. Aber wir wollen, dass es unseren Bewohnern gut geht.“ Diesen Satz zumindest sollten alle unterschreiben.
Mitarbeiter in Sorge um ihre Arbeitsplätze
Der Gewerkschaft Verdi hat die gespannte Lage im Pflegezentrum Bonifatius einen Zulauf neuer Mitglieder beschert. In den letzten Wochen seien etwa zehn Beschäftigte beigetreten, erklärt Björn Jadzinski vom Verdi-Bezirk Mülheim/Oberhausen. Als Beweggrund vermutet er: „Sorge um die Arbeitsplätze und Unsicherheit, was passiert, falls die Stadt Mülheim sagt: Das Heim bleibt zu.“ Am Donnerstag soll eine Betriebs-Mitgliederversammlung stattfinden für Verdi-Leute, die bei Bonifatius arbeiten. Dabei stünden auch ihre Rechte und Pflichten gegenüber externen Mitarbeitern auf der Tagesordnung, so Jadzinski.
Wie berichtet, hatte der Betreiber Maternus vor drei Wochen eine Task Force aus sechs „erfahrenen Fachkräften“ in das Mülheimer Haus geschickt. Die festgestellten Missstände lasten die Verfasser der vorliegenden anonymen Schreiben auch dem Einsatz von schlecht ausgebildeten Leiharbeitnehmern an, der lange üblich und erst kürzlich untersagt worden sei. Der Betriebsrat mache mit der Geschäftsleitung gemeinsame Sache, vertrete nicht die Interessen der Mitarbeiter. So oder so: Tiefgreifende Unstimmigkeiten in der Bonifatius-Belegschaft klingen durch.