Im Wahlkampf war die digitale Welt der Parteien noch weitgehend vernagelt. Jetzt, in der praktischen Arbeit, ändert sich das. Der Trend zum iPad beispielsweise hält an. Im neuen Rat haben sich 39 der 54 Ratsvertreter gemeldet, die die Ratsvorlagen elektronisch und nicht mehr in Papierform erhalten wollen. Das sind sieben Mandatsträger mehr als in der vergangenen Ratsperiode. Neun Ratsvertreter, die seinerzeit ein städtisches iPad erhalten haben, mussten dies zurückgeben. Die Geräte konnten inzwischen an einen neuen Ratsvertreter weitergereicht werden, wie Michael Antzcak vom Rats- und Rechtsamt erklärt.

Außerdem gibt es noch eine Anzahl von Ratsvertretern, die von ihrem privaten Laptop oder Tablet Gebrauch machen. Die sieben Ratsvertreter müssen sich aber noch gedulden, bis sie mit einem Wisch ins städtische Ratsinformationssystem gelangen. Im Schrank liegt kein Gerät bereit, es gibt auch keine Ersatzgeräte, wie Antczak erklärt. „Wir müssen das ausschreiben.“ Was für ein Tablet angeschafft wird, ergibt dann die Ausschreibung. Seit dem Ratsbeschluss vor gut anderthalb Jahren ist schließlich die technologische Entwicklung weitergegangen. Und schon bei der ersten Lieferung hatte die Stadt für die geplante Summe (rund 400 Euro) ein höherwertiges Modell erhalten.

Ohne konkrete neue Zahlen zu nennen, steht für Antczak fest, dass sich die teure Elektronik bereits im zweiten Jahr rechnet. „Je mehr iPads, desto größer die Einsparung.“ Er verweist auf die erste Zwischenbilanz Mitte Februar (die NRZ berichtete). Damals hieß es, dass sich eine Einsparung von 14850 Euro durch wegfallendes Porto und eine gedrucktes Papier ergeben hätten. Wie viel Blatt Papier eingespart wurden, konnte Antczak damals nicht beziffern. Spätestens Ende des Jahres dürfte Zeit für einen Kassensturz sein.

Die digitale Welt eröffnet aber noch andere Möglichkeiten. Kaum im Rat, hat die AfD einen Vorschlag der FDP aus dem vorigen Jahr aufgegriffen und macht sich nun ebenfalls für Liveübertragungen von Ratssitzungen im Internet stark, will aber zunächst die Kosten dafür in Erfahrung bringen. Solches Polit-TV gibt es bereits in einigen Städten in NRW. Die Begründung der AfD schafft den Querbezug zur analogen Welt. Sichtbare Politik könnte das Interesse an Ratsarbeit und damit auch die Wahlbeteiligung erhöhen.

Ebenfalls digitale Wege gehen nun auch die Piraten. Sie haben für Mülheim die parteieigene Seite „openantrag.de“ freigeschaltet. Auf der kann jedermann Anträge und Anfragen einreichen und den Bearbeitungsstand verfolgen. Auf diese Weise, hofft Piraten-Ratsherr Carsten Trojahn, „lassen sich Fehlplanungen vermeiden und das Versprechen einer bürgernahen Politik einlösen.“