Immer auf die Kleinen! Wenige Wochen sind die Lämmer alt und ziehen, niedlich und flauschig wie sie sind, alle Blicke auf sich. Da kann der Hahn in der Voliere quer gegenüber krakeelen wie er will, mehr Aufmerksamkeit bekommt er trotzdem nicht. Im Witthausbusch können Groß und Klein heimischen (Haus-)Tierrassen begegnen.

Zugegeben, das Unwetter hat im Witthausbusch gewütet. Der Sturm hat Bäume abgeknickt, entwurzelt, viel verwüstet. Derzeit ist das Betreten des Waldgebiets noch zu gefährlich, doch die Aufräumarbeiten laufen. Sind die abgeschlossen, lohnt sich ein Ausflug dorthin – wie dieser Besuch vor dem Unwetter zeigt.

Wer den Fußweg von der Ecke Pettenkofer- und Röntgenstraße herunterkommt, den Spielplatz links liegen lässt und sich stattdessen rechts orientiert, sieht ein Gittertor. Durch das geht es in das Tiergehege, das auf der städtischen Internetseite „Kleintierzoo“ genannt wird. Volieren und Gehege erwarten den Besucher dort – und Ausrufe, wie „süüüß!“ und „Mama, guck’ mal die Enten!“ Die Enten sind eigentlich Gänse, aber die Mama korrigiert das Missverständnis. Und damit hat man praktisch erlebt, was das Ziel des Tiergeheges sein soll: Menschen an jene Haustierrassen heranzuführen, die – obwohl hier heimisch – einem im Alltag kaum noch begegnen.

Vor über 50 Jahren wurden die ersten Stallgebäude errichtet, ein Streichelzoo entstand. Der wurde „zu einem beliebten Ausflugsziel“, sagt Jochen Schwatlo vom zuständigen Amt für Grünflächenmanagement und Friedhofswesen. Freizeitgestaltung ist er – und freiwillige Leistung. Bedeutet: In Zeiten knapper Kassen steht die Finanzierung stets auf der Kippe. „Mit verknappten finanziellen Ressourcen litt zunehmend die Attraktivität einer der bedeutendsten Mülheimer Naherholungsmöglichkeiten“, sagt Schwatlo, hat aber gleich eine gute Nachricht: 2010 konnte „mit Hilfe von Spenden, Sponsoren und Stiftungen der negative Trend umgekehrt werden“. Seitdem ist die Mülheimer Bürgerstiftung im Boot, und es werden Tierpatenschaften angeboten. Nun ist wieder richtig viel tierisches Leben in den Gehegen.

Eng stehen sie zusammengedrängt: Die Kinder auf der einen, die Ziegen auf der anderen Seite des Zauns. Die Hufe auf die Gitter gestellt, suchen die Tiere die Nähe der (sie fütternden) Menschen. Einem anderen Mädchen haben es die Kaninchen angetan. „Das war lange nicht beim Frisör“, scherzt sie. „Angora“, wertet der Vater, ganz Fachmann, und schiebt ein „Albino“ hinterher.

Kaninchen – die kennt man ja. Doch sind diese Meißner Widder und gehören zu den in Deutschland bedrohten Rassen. Ebenso die Thüringer Waldziegen, die Weißgehörten Heidschnucken, die Cröllwitzer Puten und die Appenzeller Spitzhauben, die im Tiergehege leben. Deshalb, sagt Jochen Schwatlo, werden im Witthausbusch nicht nur Tiere gezeigt, „wir züchten sie teilweise auch“. Das brachte eine Auszeichnung der „Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen“. Anfang des Jahres ernannte die Gesellschaft den Kleintierzoo offiziell zum „Arche-Park“ – laut Jochen Schwatlo ist es der erste in NRW.

Das Tiergehege, das täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet ist und keinen Eintritt kostet, ist aber nicht die einzige tierische Anlaufstelle im Witthausbusch. Wer die Spazierwege von der Virchow- oder der Semmelweisstraße gen großer Wiese nimmt und sich vorher links in den Wald schlägt, kommt – wenn ihm keine Sturmschäden im Weg liegen – nach zehn Minuten zum Wildgehege. In dem eingezäunten Areal, das das Unwetter ebenfalls stark beschädigt hat, lebt Muffel- und Damwild. Auch diese Tiere suchen die Nähe von Menschen. Kaum stehen Lasse und Sören am Zaun, kommen die Wildschafe und Hirsche zutraulich näher. „Die haben Hunger“, glaubt der sechsjährige Lasse. Wie gut, dass Mama vorgesorgt und Möhren mitgebracht hat. Die dürfen nämlich ohne Bedenken verfüttert werden, ebenso Äpfel, Kartoffeln und das Wildfutter, das man vor Ort am Automaten ziehen kann. „Die Kinder kommen immer gerne“, sagt die Mutter, und: „Wo sieht man sonst solche Tiere?“