Seit Michael Könen 1992 einen Freund in Brasilien besuchte, hat ihn das Land nicht mehr los gelassen. „Die Brasilianer sind fröhlicher und offener, als ich das von den Deutschen kenne“, sagt der 46-jährige Ökonom und Unternehmensberater. Mindestens einmal pro Jahr ist der Mülheimer im Land der Fußball-Weltmeisterschaft. Auch jetzt weilt er in Brasilien und hat sich bereits einige WM-Spiele angeschaut. Doch das ist nicht sein eigentliches Ziel.

Könen besucht im Süden Brasiliens fünf Sozialprojekte der Salesianer Don Boscos. Die katholischen Ordensleute kümmern sich in Belle Itajai, Viamao, Ascurra, Joinville, Curitiba und Guarapuava um Kinder und Jugendliche in den Favelas. Mit Schulunterricht, Berufsausbildung, sinnvoller Freizeitgestaltung, kostenlosen Mahlzeiten und kostenfreier Gesundheitsversorgung sorgen die Salesianer dafür, dass Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien eine Lebensperspektive bekommen. „Dort, wo die Salesianer aktiv sind, kann man beobachten, dass mehr Menschen in den Favelas Arbeit bekommen und ihre Holzhütten durch Steinhäuser ersetzen“, beschreibt Könen den positiven Einfluss der sozialen Arbeit, die er Mitte der 90er Jahre als Student während eines achtwöchigen Praktikums kennen lernte.

Klein, aber sehr aktiv

Dieses Erfahrung inspirierte ihn vor 15 Jahren zusammen mit Freunden den Verein Kinder helfen Kindern, grenzenlos ins Leben zu rufen. „Wir sind zwar längst keine Kinder mehr, haben dafür aber inzwischen selbst Kinder“, sagt Könen mit Blick auf die rund 50 Mitglieder des Vereins, die nicht nur mit reger Mund-zu-Mund-Propaganda, sondern auch bei Veranstaltungen vom Weltkindertag in der Müga über das Styrumer Familienfest bis zum Markt der guten Taten im Forum für die finanzielle Unterstützung der sozialen Basisarbeit in Brasilien werben.

Nicht ohne Erfolg. Seit seiner Gründung hat der Verein nach Könens Angaben jährlich 5000 bis 6000 Euro zusammengetragen, die in Brasilien Fußball- und Spielplätze entstehen ließen oder den Salesianern geholfen haben Sportmaterial und Arbeitsgeräte von der Druckmaschine bis zum Backofen oder auch Musikinstrumente anzuschaffen.

„Egal, ob die Jugendlichen aus den Favelas bei den Salesianern das Friseur- oder das Bäckerhandwerk erlernen oder sich zur Sekretärin ausbilden lassen. Sie müssen gar nicht unbedingt eine dreijährige Ausbildung machen, um mit den dort erworbenen Grundkenntnissen Arbeit zu finden“, weiß der sozial engagierte Ökonom zu berichten.

Die sozialen Proteste im Vorfeld der Fußball-WM überraschen den Brasilienfreund nicht. „In einer Stadt mit einem viertklassigen Fußballclub hat man für die WM ein riesiges Stadion gebaut und viel Geld dumm verbraten, das anderswo dringend gebraucht würde“, ärgert sich Könen. Nicht nur in der Verkehrsinfrastruktur, sondern auch im Bildungs- und Gesundheitssektor sieht er in Brasilien Investitionsbedarf. „Eltern, die für ihre Kinder eine gute Ausbildung wollen, müssen sie auf private Schulen schicken und dafür tief in die Tasche greifen. Die monatlichen Studiengebühren liegen bei 1000 Euro. Und auch eine gute medizinische Versorgung muss privat bezahlt werden“, schildert er die sozialpolitische Ausgangslage im wirtschaftlich ambitionierten Land, das aus seiner Sicht schon aufgrund einer günstigen Demografie und einer enormen Binnennachfrage „ein großes Potenzial hat.“

Werden die Proteste der Brasilianer, die nicht auf der Sonnenseite des Wirtschaftswunders leben, die Fußball-WM beeinflussen? Könen meint: „Brasiliens Demokratie ist noch jung. Und die Menschen entdecken langsam, dass sie durch ihr eigenes Zutun politisch etwas bewirken können. Deshalb werden sie die WM auch als Plattform für Proteste nutzen, zumal im Oktober Präsidentschaftswahlen anstehen. Aber wenn der Ball rollt, ist der Brasilianer Fußballer.“